OLG Celle

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Zitieren als:
OLG Celle, Beschluss vom 26.06.2007 - 22 W 31/07 - asyl.net: M10816
https://www.asyl.net/rsdb/M10816
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Ingewahrsamnahme, Ausländerbehörde, Haftbefehl, Richtervorbehalt, einstweilige Anordnung
Normen: GG Art. 104 Abs. 2; FreihEntzG § 11 Abs. 1
Auszüge:

Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen bis zu seiner Vorführung beim Amtsgericht war rechtswidrig.

Nach Art. 104 Abs. 2 GG darf über Freiheitsentziehungen grundsätzlich nur der Richter entscheiden. Das geltende Recht der Abschiebungshaft ermächtigt die Ausländerbehörde nicht, einen Ausländer über die Polizeibehörden aus eigener Machtvollkommenheit zur vorläufigen Sicherung der Abschiebung selbst in Gewahrsam zu nehmen oder dem Haftrichter vorzuführen. Es gibt keinen der Abschiebungshaft vorgelagerten Freiheitsentzug durch die Verwaltungsbehörde (vgl. nur OLG Braunschweig vom 4. Februar 2004, 6 W 32/06 m.w.N.). Eine auch nur vorübergehende Freiheitsentziehung kommt nur in Betracht nach Maßgabe polizeirechtlicher Vorschriften zum Verhindern des Fortsetzens einer Straftat oder bei nicht vorhersehbaren, sog. Spontanfestnahmen - wobei in diesem Falle eine richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen ist. Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung (OLG Köln vom 29. Juni 2005, 16 Wx 76/05; OLG Oldenburg vom 3. Mai 2004, 13 W 18/04; OLG Celle vom 11. Februar 2004, 17 W 109/03) und unterliegt keinem Zweifel.

Auf polizeirechtliche Vorschriften wurde die Maßnahme erkennbar nicht gestützt. Die Freiheitsentziehung erfolgte vielmehr zum Zwecke der Vorführung zum Erlass eines Abschiebungshaftbefehls. Auch eine sog. Spontanmaßnahme lag erkennbar nicht vor. Vielmehr ging der Beteiligte davon aus, dass der Betroffene unter der bekannt gewordenen Adresse in dem Imbiss in Otterndorf sich aufhält oder zumindest aufhalten könnte. Nur vage war diese Annahme nicht, denn der Beteiligte hatte mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf bereits einen Haftplatz reserviert, einen Transport des Betroffenen in die JVA Langenhagen organisiert und das Amtsgericht von der möglichen Festnahme zumindest informiert. Bei dieser Sachlage wäre das vorherige Einholen einer richterlichen Entscheidung über die beabsichtigte Freiheitsentziehung nicht nur möglich, sonder auch geboten gewesen. Dass der Betroffene eventuell doch nicht aufgegriffen werden könnte, macht eine richterliche Anordnung der Freiheitsentziehung nicht entbehrlich.

Dem steht der "weiter unklare Aufenthalt des Betroffenen" nicht entgegen, denn eine Sicherungshaftanordnung kann naturgemäß auch bei noch unbekanntem Aufenthalt eines Ausländers angeordnet werden (vgl. nur BGH vom 1. Juli 1993, V ZB 19/03). Auch eine vorherige Ladung des Betroffenen sowie dessen vorherige richterliche Anhörung nach § 5 Abs. 1 FreihEntzG war nicht erforderlich, um vor der geplanten Festnahme des Betroffenen eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Denn eine Haftanordnung kann auch im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 FreihEntzG ergehen, die gebotene Anhörung kann - und muss - dann nur unverzüglich nachgeholt werden (§ 11 Abs. 2 Satz 2 FreihEntzG).