VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Beschluss vom 24.03.2006 - 23 L 477/06 - asyl.net: M10795
https://www.asyl.net/rsdb/M10795
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Mitwirkungspflichten, Passbeschaffung, Passersatzbeschaffung, Passverfügung, Auslandsvertretung, Vorführung, Delegation, Rechtsgrundlage, Verwaltungsvollstreckung, unmittelbarer Zwang, Richtervorbehalt
Normen: AufenthG § 82 Abs. 4 S. 1; AufenthG § 82 Abs. 4 S. 3; BPolG § 40 Abs. 1; BPolG § 25 Abs. 3; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung geht zugunsten des Antragstellers aus, weil die Ordnungsverfügung des Antragsgegners offensichtlich rechtswidrig ist.

Gemäß § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG kann, soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach dem Aufenthaltsgesetz erforderlich ist, angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen des Staates dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint.

Die in der angefochtenen Verfügung getroffene Regelung, durch die eine Vorführung des Antragstellers bei der Vertretung bzw. einem Vertreter des Staates Guinea für den 27.03.2006 in den Räumlichkeiten der Zentralen Ausländerbehörde in Dortmund angeordnet wird, ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG nicht gedeckt. Denn dort ist geregelt, dass das persönliche Erscheinen vor einer entsprechenden Stelle angeordnet werden kann. Dem Betreffenden kann also eine entsprechende Verpflichtung auferlegt werden und es ist ihm - in der Regel unter Fristsetzung - die Gelegenheit zu geben, dieser Verpflichtung nachzukommen. Eine Vorführung ist indes bereits eine Zwangsmaßnahme. Sie kommt gemäß § 82 Abs. 4 S. 2 AufenthG in Betracht, wenn der Ausländer einer Anordnung in einem Grundverwaltungsakt nach Satz 1 nicht nachkommt.

Die in der Ordnungsverfügung ferner angedrohte "zwangsweise Vorführung im Rahmen des unmittelbaren Zwanges" ändert an der Überschreitung des gesetzlichen Rahmens durch die Grundverfügung nichts. Der Gesamtzusammenhang der Ordnungsverfügung und auch der schriftsätzlichen Stellungnahme des Antragsgegners vom 23.03.2006 lässt erkennen, dass der Antragsteller auf jeden Fall am Montag nach Dortmund verbracht werden soll. Das Gericht weist darauf hin, dass sich aus der ausdrücklichen gesetzlichen Bezugnahme des § 82 Abs. 4 S. 3 AufenthG auf § 40 Abs. 1 BPolG ergibt, dass für eine derartige Vorführung, wie sie hier beabsichtigt ist, zuvor eine Entscheidung des zuständigen Amtsgerichts herbeizuführen ist. Denn § 40 Abs. 1 BPolG, der diese Rechtsfolge festlegt, verweist ausdrücklich auf § 25 Abs. 3 BPolG, in dem geregelt ist, dass eine Vorladung zwangsweise durchgesetzt werden kann, wenn der Betroffene ihr ohne hinreichenden Grund nicht Folge leistet. (Eine inhaltlich gleichlautende Regelung enthält § 10 Abs. 2 PolG NRW.) Es handelt sich hierbei um eine ausdrückliche gesetzliche Regelung in Bezug auf die Durchführung von Zwangsmaßnahmen bei Verfügungen gemäß § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG. Im Übrigen sei auf die im "Handbuch des Polizeirechts", hrsgeg. von Lisken und Denninger, 3. Aufl. 2001, F Rn. 487 angegebenen Abgrenzungsmerkmale zwischen einer Freiheitsbeschränkung und einer Freiheitsentziehung hingewiesen. Angesichts der voraussichtlichen Dauer der im vorliegenden Fall geplanten Maßnahme dürfte auch danach von einer Freiheitsentziehung und somit vom Erfordernis einer Entscheidung des zuständigen Amtsgerichts auszugehen sein.