OLG München

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Zitieren als:
OLG München, Beschluss vom 03.05.2007 - 34 Wx 55/07 - asyl.net: M10607
https://www.asyl.net/rsdb/M10607
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Verfahrensmangel, Zuständigkeit, örtliche Zuständigkeit, Amtsgericht, Abgabebeschluss, Anhörung, Ladung, Prozessbevollmächtigte, Heilung, Landgericht
Normen: AufenthG § 62; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; FreihEntzG § 4 Abs. 1; AufenthG § 106 Abs. 2 S. 2
Auszüge:

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

c) Der Beschwerdeführer beanstandet allerdings zu Recht, dass der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 28.3.2006 an zwei Verfahrensmängeln leidet:

(1) Zum ersten hat das Amtsgericht Nürnberg zu Unrecht seine örtliche Zuständigkeit angenommen. Örtlich zuständig auch zur Entscheidung über die Haftverlängerung und damit gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist das die Abschiebungshaft erstmalig anordnende Gericht, dessen Zuständigkeit sich nach § 4 Abs. 1 FreihEntzG bestimmt. Nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann dieses Gericht für die Entscheidung über die Fortdauer der Abschiebungshaft das Verfahren durch Beschluss an das Gericht abgeben, in dessen Bezirk die Abschiebungshaft vollzogen wird. Kommt es zu einer solchen Abgabe nicht, verbleibt es für die Entscheidung über die Haftfortdauer bei der bisherigen Zuständigkeit. Dies ergibt sich aus § 12 FreihEntzG, wonach die in § 4 FreihEntzG genannten, eine örtliche Zuständigkeit des Gerichts begründenden Tatsachen im Verfahren über die Fortdauer der Haft nicht maßgeblich sind (siehe auch OLG Zweibrücken FGPrax 2000, 212/213, OLG München FGPrax 2006, 185).

(2) Zum zweiten hat das Amtsgericht Nürnberg den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen nicht zur mündlichen Anhörung nach § 5 Abs. 1 FreihEntzG geladen, obwohl das Gericht schon dem Antrag der Ausländerbehörde hätte entnehmen können, dass der Betroffene einen Verfahrensbevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt hatte. Unabhängig davon wäre das Amtsgericht, seine örtliche Zuständigkeit unterstellt, nach § 12 FGG verpflichtet gewesen, die für die vorangegangene Haftanordnung bestehenden Akten beizuziehen, aus denen sich ebenso die Bestellung ergeben hätte. Einem Verfahrensbevollmächtigten ist grundsätzlich Gelegenheit zu geben, an einer gerichtlichen Anhörung teilzunehmen, da andernfalls der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt wird (vgl. OLG Celle InfAuslR 1999, 462).

(3) Beide Verfahrensfehler begründen jedoch nicht die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung durch das Amtsgericht, weil sie durch das Landgericht Nürnberg-Fürth geheilt wurden. Für den Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit folgt das daraus, dass sowohl das Amtsgericht Erlangen als auch das Amtsgericht Nürnberg zum Zuständigkeitsbezirk des Landgerichts Nürnberg-Fürth gehören (vgl. Art. 4 Nr. 16 GerOrgG; BayRS 300-2-2-J), so dass dieses jedenfalls für die Beschwerdeentscheidung örtlich zuständig war. Damit führt der Verstoß des Amtsgerichts Nürnberg gegen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit hier nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftverlängerungsanordnung (vgl. BGH vom 8.3.2007, V ZB 149/06 Rn. 8-10).

Entsprechendes gilt für die unterbliebene Ladung des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen zu dessen mündlicher Anhörung vor dem Amtsgericht Nürnberg. Denn die vom Landgericht durchgeführte Anhörung des Betroffenen in Anwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten konnte diesen Verfahrensfehler heilen. Das Beschwerdegericht tritt nämlich in den Grenzen der Beschwerde als Tatsacheninstanz an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts. Das hat zur Folge, dass Fehler des erstinstanzlichen Gerichts grundsätzlich nicht zur Aufhebung seiner Entscheidung führen, wenn das Beschwerdegericht unter Beachtung eines ordnungsgemäßen Verfahrens selbst die sachlich gebotene Entscheidung trifft (BGH aaO Rn. 10, Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 12 Rn. 175 und § 27 Rn. 18 jeweils m.w.N.).