VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 21.06.2007 - 13 K 6992/04.A - asyl.net: M10573
https://www.asyl.net/rsdb/M10573
Leitsatz:

Ist der Geburtszeitpunkt nicht sicher feststellbar, ist im Zweifel aus Gründen des Minderjährigenschutzes vom späteren Zeitpunkt auszugehen.

 

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Asylantrag, Minderjährige, Handlungsfähigkeit, Altersfeststellung, Beweislast
Normen: AsylVfG § 13 Abs. 1; AsylVfG § 12 Abs. 1
Auszüge:

Ist der Geburtszeitpunkt nicht sicher feststellbar, ist im Zweifel aus Gründen des Minderjährigenschutzes vom späteren Zeitpunkt auszugehen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid des Bundesamtes vom 21. Oktober 2004 ist rechtswidrig und der Kläger wird dadurch in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Voraussetzung eines Bescheides, mit dem über einen Asylantrag entschieden wird, ist, dass ein solcher Asylantrag wirksam gestellt worden ist, vgl. § 13 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). Daran fehlt es hier.

Im Zeitpunkt der Aufnahme des Asylantrages am 16. August 2004 bei der Erstaufnahmeeinrichtung Hamburg war der Kläger von rechts wegen nicht zur Vornahme einer solchen Verfahrenshandlungen fähig.

Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) sind handlungsfähig auch natürliche Personen, die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, soweit sie für den Gegenstand des Verfahrens durch Vorschriften des bürgerlichen Rechts als geschäftsfähig oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt sind. Diese Voraussetzungen lagen seinerzeit bei dem Kläger nicht vor.

Für das Geburtsdatum des Klägers ist von dem 8 September 1989 auszugehen. Der Kläger hat dieses Datum von Anfang an durchgängig angegeben, so dass sich aus seinem Vortrag keine Zweifel an der Richtigkeit ergeben. Auch im übrigen liegen keine Erkenntnisse vor, die zu der Feststellung führen, dass der 8. September 1989 nicht das Geburtsdatum des Klägers ist. Insbesondere trifft das nicht für die fachärztliche Stellungnahme von Privatdozent Dr. ... vom 22. Dezember 2005. Dr. ... war Oberarzt an dem Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Magdeburg. Er führt aus, eine Altersschätzung sei auf Grund der differenten Pubertätsentwicklung (Hodenvolumina entsprechen einem Vierzehnjährigen, Knochenalter der linken Hand entspricht einem Achtzehnjährigen) aus fachärztlicher Sicht nicht vertretbar. Bei Ungewissheit über den Tag der Geburt gebietet es aber das auch in § 12 VwVfG zum Ausdruck kommende gesetzliche Prinzip eines umfassenden Schutzes Minderjähriger, von dem späteren Zeitpunkt auszugehen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 156/83 -, DVBl 1985, 244; Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 1. Juli 2002 - 8 L 484/02A -, veröffentlicht bei juris; Gemeinschaftskommentar AsylVfG, § 12 Rn. 30).

Da demnach hier von dem 8. September 1989 auszugehen ist, war der Kläger im August 2004 erst 15 Jahre alt, so dass er nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war. Vorschriften des bürgerlichen Rechts, durch die der Kläger für die Stellung eines Asylantrages als geschäftsfähig anerkannt würde, liegen nicht vor (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 156/83 -, DVBl 1985, 244).

Was den Bereich des öffentlichen Rechts angeht, legt § 12 Abs. 1 AsylVfG zwar fest, dass fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach dem AsylVfG auch ein Ausländer ist, das 16. Lebensjahr vollendet hat. Das war aber bei dem Kläger im August 2004 (noch) nicht der Fall.