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VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 23.02.2006 - AN 5 K 05.30066 - asyl.net: M10525
https://www.asyl.net/rsdb/M10525
Leitsatz:
Schlagwörter: Serbien, Kosovo, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Wiederaufgreifen des Verfahrens, Ermessen, Entscheidungsreife, Ermessensreduzierung auf Null, UCK, Blutrache, Racheakte, Schutzfähigkeit, Schutzbereitschaft, KPC, Kosovo Protection Corps, KPS, Kosovo Police Service
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7; VwVfG § 51 Abs. 1; VwVfG § 51 Abs. 5
Auszüge:

Die Klage ist zulässig und in dem in der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 2006 gestellten, auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschränkten Klageantrag, begründet.

Der Kläger hat sowohl in dem früheren Verfahren unter dem Namen ... als auch in dem jetzigen Verfahren im Wesentlichen vorgetragen, von Seiten des früheren Kommandeurs der UCK und ehemaligen Kosovo-Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj sowie dessen Familienangehörigen und Anhängern bedroht worden und an Leib und Leben gefährdet (gewesen) zu sein, weil er im Kosovo mit der NATO und der UNMIK zu dessen Lasten zusammengearbeitet habe.

Dem Kläger droht bereits wegen seiner Aussage, die zu der Inhaftierung und Verurteilung Daut Haradinajs beigetragen hat, eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben im Kosovo von Seiten der Familie Haradinaj und deren Anhängern.

Wenn der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angenommen hat, die Gefahr eines Racheaktes sei beim Kläger geringer als bei einer politisch herausgehobenen Person und werde auch durch die Dauer seines Aufenthalts in Deutschland verringert, erscheint dies im Hinblick auf die dargestellten Racheakte, die auch noch im Jahr 2005 stattgefunden haben, nicht überzeugend. Dies alles vermag nichts daran zu ändern, dass der Kläger zu der Inhaftierung und Verurteilung Daut Haradinajs beigetragen hat. Dabei ist auch ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Aussage des Klägers in dem Verfahren gegen Daut Haradinaj bekannt geworden ist und das Urteil auch darauf gestützt wurde, auch wenn der Kläger während des Strafprozesses nicht anwesend war.

Eine Gefährdung des Klägers von Seiten der Familie Haradinaj, der im Übrigen im Hinblick auf die militärische und politische Bedeutung, insbesondere von Ramush Haradinaj, auch ein großer Einfluss im Kosovo unterstellt werden kann, ergibt sich zudem daraus, dass der Kläger in Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Ramush Haradinaj vor dem UN-Tribunal in Den Haag in Nürnberg als Zeuge angehört wurde. Dabei ist davon auszugehen, dass auch dies Ramush Haradinaj bzw. dessen Prozessvertretern nicht unbekannt geblieben ist.

Die Gefährdung des Klägers wegen seiner Zeugenaussagen gegen Daut und Ramush Haradinaj wird bestätigt durch die Ausführungen im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 22. November 2005. Danach kritisiert die OSZE in Zusammenhang mit der Verurteilung des Daut Haradinaj und der daraufhin erfolgten Erschießung von Zeugen in diesem Prozess die UNMIK wegen fehlender Zeugenschutzprogramme. Viele Zeugen würden nach den Gerichtsverhandlungen nicht geschützt, viele Zeugen fürchteten sich vor der KPC (dem im Wesentlichen aus ehemaligen UCK-Angehörigen gebildeten zivilen Hilfskorps "Kosovo Protection Corps") und auch vor der KPS (der lokalen multi-ethnischen Polizei des Kosovo "Kosovo Police Service").

Schließlich droht dem Kläger auch deshalb eine konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Kosovo, weil er, wie er auch selbst einräumt, den ... erschossen hat.

Dem Kläger droht in diesem Zusammenhang jedenfalls die Rache der Familie des getöteten .... Das Auswärtige Amt weist in seinem Lagebericht ausdrücklich auf archaische Ehrvorstellungen und eine weite Verbreitung der Blutrache hin.