OLG Hamm

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Zitieren als:
OLG Hamm, Beschluss vom 02.01.2007 - 15 W 22/06 - asyl.net: M10072
https://www.asyl.net/rsdb/M10072
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Haftverlängerung, Verlängerung, Vertretenmüssen, Abschiebungshindernis, Passersatzbeschaffung, Sachaufklärungspflicht, Clearingstelle
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5; AufenthG § 62 Abs. 2 S. 4; FGG § 12
Auszüge:

In der Sache ist die weitere Beschwerde unbegründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 FGG.

Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Haftgrund des § 62 Abs.2 S.1 Nr.5 AufenthG bejaht.

Auch die Annahme des Landgerichts, dass § 62 Abs.2 S.4 AufenthG der Haftverlängerung nicht entgegenstehe, da der Betroffene die Verzögerung seiner Abschiebung zu vertreten habe und sich vorausschauend nicht feststellen lasse, dass die Abschiebung innerhalb des gesamten Haftzeitraums von hier fünf Monaten nicht möglich sein werde, erweist sich als frei von Rechtsfehlern.

Im Sinne des § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG hat der Betroffene alle Umstände zu vertreten, die von ihm zurechenbar veranlasst sind und dazu geführt haben, dass ein Abschiebehindernis eingetreten ist.

Das Vertretenmüssen im Sinne des § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG erstreckt sich auf die Verzögerung der Abschiebung, die dadurch entsteht, dass die Behörden des Heimatstaates des Betroffenen um die Erteilung ein Passersatzpapiers ersucht werden müssen. In den dem Betroffenen zuzurechnenden und von ihm daher hinzunehmenden Zeitraum fällt deshalb in den Grenzen der gesetzlichen Vorschrift auch das Prüfungsverfahren, das die Heimatbehörden des Betroffenen bis zur positiven Bescheidung des Antrags auf Erteilung eines Passersatzpapiers für sich in Anspruch nehmen.

Auch der Umstand, dass das Landgericht seine Prognoseentscheidung, es stehe nicht vorausschauend fest, dass eine Abschiebung nicht innerhalb des verlängerten Haftzeitraums möglich sein werde, ohne weitere Ermittlungen auf die Auskünfte der ZAB L gestützt hat, hält der allein möglichen rechtlichen Prüfung stand. Im Verfahren der Rechtsbeschwerde ist die Tatsachenwürdigung des Beschwerdegerichts nur darauf nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend ermittelt, sich mit allen wesentlichen Umständen auseinandergesetzt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetze, zwingende Erfahrungssätze oder den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat (Keidel/Meyer-Holz, FG, 15.Aufl. § 27 FGG Rdn.42).

Nicht zu beanstanden ist danach zunächst, dass das Landgericht davon abgesehen hat, sich, wie von dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen verlangt, eine Gesamtstatistik vorlegen zu lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Beschluss vom 11.09.2003 - 15 W 346/03 - ), die dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen hinreichend bekannt ist, kann der Tatrichter seine Überzeugung, die Undurchführbarkeit der Abschiebung innerhalb des maßgebenden Zeitraums könne nicht festgestellt werden, rechtsfehlerfrei darauf stützen, dass in Einzelfällen eine solche Abschiebung hat durchgeführt werden können. Diese Sichtweise entspricht der insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelung, nach der die Haftanordnung nur zu unterbleiben hat, wenn feststeht, dass die Abschiebung nicht möglich sein wird.

Auch in dem Umstand, dass die Kammer die Auskünfte der ZAB L ohne weitere Ermittlungen als glaubhaft erachtet hat, begründet keinen Verstoß gegen § 12 FGG. Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung unbestritten, dass bei der Prüfung, innerhalb welches Zeitraums eine Abschiebung möglich erscheint, zuvörderst auf die Erfahrungen der (zentralen) Ausländerbehörden zurückzugreifen ist (OLG Düsseldorf, Beschl. vom 05.06.2002 - 3 Wx 152/02 -; OLG Köln, Beschl. vom 23.11.2001 - 16 Wx 253/01-). Dabei teilt der Senat die Auffassung, dass der Haftrichter den Angaben einer antragstellenden Behörde nicht blind vertrauen darf, sondern diese aus gegebenem Anlass auch überprüfen muss. Darum geht es vorliegend jedoch nicht. Die ZAB L ist bei ihrer Auskunft vom 16.11.2005 als Clearingstelle tätig geworden. Bereits dies lässt der Auskunft einen anderen Beweiswert zukommen. Die Kammer konnte weiter ihre eigenen Erfahrungen aus Einzelfällen (vgl. hierzu den o.a. Senatsbeschluss) berücksichtigen, zu denen die Auskünfte der ZAB widerspruchsfrei passen. In dieselbe Richtung weist schließlich auch das Schreiben des Innenministeriums NW vom 21.06.2005, mag dieses für sich auch wenig aussagekräftig sein. Bei zusammenfassender Würdigung ist die Überzeugungsbildung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.