BVerfG

Merkliste
Zitieren als:
BVerfG, Beschluss vom 27.12.2000 - 2 BvR 2205/99 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/16416
Leitsatz:

Kein Verfassungsverstoß durch Androhung der Abschiebung nach Jordanien trotz Abschiebungsschutz hinsichtlich des Irak für mit einer jordanischen Staatsangehörigen verheirateten irakischen Beschwerdeführer. (Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Irak, Jordanien (A), Verfolgungssicherheit, Abschiebungsschutz, Abschiebungsandrohung, Zielstaatsbezeichnung, Jordanien, Willkürverbot, Gleichheitsgrundsatz, Weiterschiebung, Kettenabschiebung, Genfer Flüchtlingskonvention, Mindestgarantien, Zusicherung
Normen: GG Art. 3 Abs. 1; GG Art 3 Abs. 3; GG Art 25; AsylVfG § 34; AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 50 Abs. 4
Auszüge:

Die angegriffenen Entscheidungen beruhen nicht auf einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots verstoßenden Auslegung und Anwendung des § 34 AsylVfG in Verbindung mit §§ 51 Abs. 1, 50 Abs. 4 AuslG.

Der Beschwerdeführer bemängelt in diesem Zusammenhang, die Fachgerichte hätten verkannt, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 51 Abs. 1 AuslG bestandskräftig geworden sei und er - so lange das Bundesamt diese Feststellung nicht aufgehoben habe, nicht auf einen Schutz durch den jordanischen Staat verwiesen werden könne. Damit missversteht er das Verhältnis zwischen der Feststellung des Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG und der Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG. Diese wird nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vom Bundesamt nach den §§ 50 und 51 Abs. 4 AuslG erlassen, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird und keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt. Der Beschwerdeführer wurde nicht als Asylberechtigter anerkannt. Dass er - wie mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht - zwischenzeitlich einen Flüchtlingspass und gemäß § 70 Abs. 1 AsylVfG eine Aufenthaltsbefugnis erhalten hat, steht der Abschiebungsandrohung nicht entgegen (vgl. dazu auch Marx, Kommentar zum AsylVfG, 4. Aufl. 1999, § 34 AsylVfG Rn. 3, 8). Die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG, die nur eine relative Schutzposition verleiht (vgl. BVerfGE 94, 49 97>), hindert den Erlass der Abschiebungsandrohung nicht, so lange diese sich an den Vorgaben der §§ 50 und 51 Abs. 4 AuslG orientiert (vgl. auch § 50 Abs. 3 Satz 1 AuslG, wonach das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 51 AuslG dem Erlass der Abschiebungsandrohung nicht entgegen steht).

In der Androhung ist jedoch nach § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf (hier: Irak) und nach § 51 Abs. 4 Satz 2 AuslG der Staat, in den die Abschiebung erfolgen darf (hier: Jordanien).

Art. 33 Abs. 1 GFK und der insoweit nahezu wortgleiche § 51 Abs. 1 AuslG verbieten die Abschiebung in einen Staat, in dem Leben oder Freiheit des Ausländers aus Gründen der GFK bedroht sind; das umfasst auch die hinreichende Sicherheit vor der Weiterschiebung in einen solchen Staat. Daher ist bei einem Flüchtling, der den Status nach § 51 Abs. 1 AuslG genießt, die Androhung der Abschiebung in einen Drittstaat ausgeschlossen, in dem ihm die Gefahr der Überstellung an den Verfolgerstaat droht (vgl. BVerfGE 94, 49 92 f.>). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es daher entscheidend auf die Prüfung der hinreichenden Sicherheit hiervor an, nicht hingegen allein darauf, ob der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt. Sowohl das Verwaltungsgericht wie auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht sind unter Auswertung der eingeholten Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, diese hinreichende Sicherheit vor Weiterschiebung bestehe für den Beschwerdeführer in Jordanien. Dass diese Erkenntnisquellen das von den Fachgerichten gefundene Ergebnis nicht trügen, ist weder erkennbar noch vom Beschwerdeführer dargetan. Indem die Verfassungsbeschwerde das Gegenteil behauptet, setzt sie lediglich die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Beschwerdeführers an die Stelle derjenigen der Fachgerichte, ohne einen darin liegenden Verfassungsverstoß, insbesondere im Hinblick auf das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG substantiiert geltend zu machen. Dasselbe gilt im Hinblick auf die Behauptung, dass eine Abschiebung nach Jordanien nur dann möglich sei, wenn die Bundesrepublik Deutschland eine Zusicherung des jordanischen Staates erhielte, dass dem Beschwerdeführer dort die Mindestgarantien der GFK erhalten blieben. Auch insofern wird nur die eigene, von den Fachgerichten abweichende Auffassung des Beschwerdeführers wiedergegeben. Ob die Abschiebungsandrohung eine verbindliche Übernahmeerklärung des Abschiebezielstaats voraussetzt (so Marx, a.a.O., Rn. 14), ist zwar in Literatur und Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt (s. die Nachweise bei Marx, a.a.O.), wird aber jedenfalls nicht grundsätzlich von Verfassungs wegen gefordert (vgl. BVerfGE 94, 49 92 f., 99 f.>).

Dass dem Beschwerdeführer im Gegensatz zu anderen Personen, die den Status nach § 51 Abs. 1 AuslG genießen, die Abschiebung nach Jordanien angedroht wurde, beruht auch auf einem vor dem Gleichheitsgrundsatz hinreichend tragfähigen Grund: Im Falle des Beschwerdeführers lässt sich aufgrund der jordanischen Staatsangehörigkeit seiner Ehefrau eine Abschiebung nach Jordanien in Betracht ziehen, während in anderen Fällen der Flüchtlingsanerkennung nach § 51 Abs. 1 AuslG kein möglicher Abschiebezielstaat erkennbar ist.