OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 05.11.1998 - 9 O 206/98 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13776
Leitsatz:
Schlagwörter: China, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Illegale Ausreise, Exilpolitische Betätigung, Antragstellung als Asylgrund, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung
Normen: AsylVfG § 78 abs. 3 Nr. 1; AuslG § 51
Auszüge:

Der Kläger, ein Staatsangehöriger der VR China, möchte im Sinne von § 78 III NR. 1 AsylVfG grundsätzlich geklärt wissen,

- "ob und inwiefern die illegale Ausreise aus der VR China bei einer Rückkehr nach dort zu einer politisch geprägten Verfolgung führt,

- ob ein schwerwiegender Fall im Zusammenhang mit der illegalen Ausreise aus der VR China nach der neuen Gesetzeslage dann vorliegt, wenn die in Frage stehende Person nach ihrer illegalen Ausreise im westlichen Ausland einen Asylantrag gestellt hat und im westlichen Ausland exilpolitische Aktivitäten durchgeführt hat,

- ob und inwieweit normale exilpolitische Aktivitäten chinesischer Staatsangehöriger im westlichen Ausland bei einer Rückkehr in das Heimatland dort zu asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen führen."

Soweit sich der Kläger mit diesen Grundsatzrügen gegen die Abweisung seiner auf Asylanerkennung nach Art. 16 a I GG zielenden Verpflichtungsklage wendet, kommt die begehrte Berufungszulassung nicht in Betracht. Die ihnen zugrunde liegenden Fragestellungen beziehen sich erkennbar auf subjektive Nachfluchtgründe.

Als entscheidungserheblich erwiesen sie sich in dem angestrebten Berufungsverfahren mithin nur dann, wenn der Kläger vor seiner Ausreise aus China in einer ausweglosen Situation in Gestalt zumindest einer latenten Gefährdungslage gewesen wäre.

Nach den die Abweisung der auf Art. 16 a I GG gestützten Asylklage tragenden Gründen des angefochtenen Urteils war das nicht der Fall.

Erfolgreich ist der Zulassungsantrag hingegen, soweit sich der Kläger mit ihm gegen die Verneinung einer zu seinen Gunsten bestehenden Abschiebungsschutzberechtigung nach § 51 I AuslG zur Wehr setzt.

Der Senat hält jedenfalls die Frage für klärungsbedürftig, ob eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß der chinesische Staat auf unerlaubte Ausreise seiner Angehörigen mit abschiebungsschutzrechtlich relevanten Sanktionen reagiert. Zwar scheint die obergerichtliche Rechtsprechung diese Frage inzwischen durchweg zu verneinen.

Der beschließende Senat hat sich indes zu der Thematik in jüngerer Vergangenheit noch nicht geäußert. Er sieht sich auch im vorliegenden Zulassungsverfahren außerstande, das dieser Judikatur zugrunde liegende umfangreiche und zum Teil in einzelnen Punkten kontroverse Erkenntnismaterial abschließend zu bewerten und bei dessen überschlägigen Sichtung zu einer endgültigen Meinungsbildung zu gelangen. Das gilt umso mehr, als Anknüpfungspunkt der ausgewerteten Lageberichte, Auskünfte, Gutachten und Stellungnahmen durchweg noch die den Tatbestand der illegalen Ausreise betreffende Vorschrift des § 176 Chin. StGB ist, diese Bestimmung aber im Zuge der am 1. Oktober 1997 in China wirksam gewordenen Strafrechtsreform durch § 322 Chin. StGB ersetzt wurde und keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorliegen, ob die Neuregelung - ungeachtet ihrer anscheinend wörtlichen Übereinstimmung mit der alten Vorschrift - in der durch Willkür gekennzeichneten Rechtsanwendungspraxis des chinesisch-kommunistischen Regimes gegebenenfalls nicht zu einer die Schwelle der abschiebungsschutzrechtlichen Relevanz überschreitenden Verschlechterung der Verfolgungssituation illegal Ausgereister geführt hat oder mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit führen wird.

Die Berufung ist daher im angegebenen Umfang zuzulassen.