VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 10.02.1998 - 5 K 6788/94.A - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13672
Leitsatz:
Schlagwörter: China, Familienplanung, Ein-Kind-Politik, Geldstrafe, Arbeitsplatz, Diskriminierung, Schikanen, Zwangssterilisation, Religiös motivierte Verfolgung, Regimegegner, Glaubwürdigkeit, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Antragstellung als Asylgrund, Illegale Ausreise, Strafverfolgung, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, menschenrechtswidrige Behandlung
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53; ChinStGB Art. 176
Auszüge:

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, noch liegen die Voraussetzungen des § 51 des Ausländergesetzes vor.

Auch wenn man annimmt, daß der Kläger mehr als das in China üblicherweise erlaubte eine Kind hat und darüber hinaus die Prognose stellt, daß er bei einer Rückkehr nach China deshalb noch mit den dafür vorgesehenen Sanktionen, in der Regel vor allem Geldbußen, ferner Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz und eine Wohnung zu bekommen, bzw. Lohnkürzungen bei vorhandener Arbeitsstelle rechnen müßte, so reicht das nicht aus, um politische Verfolgung oder die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 AuslG feststellen zu können.

Derartige Repressalien sind keine politische Verfolgung. Sie dienen, auch in ihren gesetzlich nicht vorgesehenen Auswüchsen, nicht dazu, den politischen Gegner zu bekämpfen oder bestimmte Menschen wegen ihrer politischen, religiösen Überzeugung oder sonstiger unverfügbarer Merkmale zu diskriminieren und auszugrenzen, sondern die Familienpolitik trifft alle Chinesen.

Anhaltspunkte dafür, daß dem Kläger bei einer Rückkehr nach China unabweisbar, das heißt auch bei Rückkehr in einen Ort, wo er den örtlichen Funktionären nicht bekannt ist, die in China offiziell nicht vorgesehene Zwangssterilisation und damit menschenunwürdige Behandlung droht, bestehen nicht.

Es läßt sich des weiteren nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit feststellen, daß dem Kläger aufgrund der möglicherweise illegalen Ausreise in Verbindung mit der Stellung eines Asylantrages bei einer Rückkehr nunmehr strafrechtliche Verfolgung aus politischen Gründen oder jedenfalls strafrechtliche Verfolgung mit menschenunwürdiger Behandlung droht. Dem Gericht liegen zahlreiche Auskünfte des Auswärtigen Amtes vor, wonach bisher nicht erkennbar sei, daß abgelehnte Asylbewerber politisch oder strafrechtlich verfolgt werden, weil sie einen Asylantrag gestellt haben.

Die illegale Ausreise ist nach chinesischen Rechtsvorschriften zwar strafbar. Eine Bestrafung wegen Verletzung der Ein- und Ausreisevorschriften knüpft aber als solche nicht an ein asylrechtlich erhebliches Merkmal an. Das schließt nicht aus, daß der § 176 Strafgesetzbuch angewandt wird, um politische Gegner zu treffen, anders ausgedrückt: der Verdacht auf politische Gegnerschaft im Einzelfall kann zur Annahme eines schweren Falles und damit zur Verschärfung der Strafe führen. Verschärfung im Einzelfall bedeutet dann aber gerade, daß zu dem Tatbestand der illegalen Ausreise und der Beantragung von Asyl im Ausland noch weitere Umstände hinzukommen müssen, die den Betreffenden dem Regime verdächtig machen.

Auch die Kumulierung beider Tatbestände: Verstoß gegen die Familienplanungspolitik und - möglicherweise - illegale Ausreise führt nicht dazu, bei einer Rückkehr eine Verfolgung aus politischen Gründen oder jedenfalls menschenrechtswidrige Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten zu müssen.

Sanktionen werden zwar höher ausfallen können, weil es sich eben um zwei mit Bußen bedrohte Tatbestände handelt. Eine derartige Kumulierung bedeutet aber noch nicht, daß die zu erwartenden Repressalien damit in politische Verfolgung umschlagen oder nach Art und Umfang derartig hoch oder menschenunwürdig werden, daß Abschiebungshindernissse nach § 53 AuslG bejaht werden könnten.