VG Regensburg

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Zitieren als:
VG Regensburg, Urteil vom 19.02.1998 - RO 14 K 95.31106 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13550
Leitsatz:
Schlagwörter: Laos, DDR (A), Studenten, Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, Antragstellung als Asylgrund, Republikflucht, Situation bei Rückkehr, Strafverfolgung
Normen: AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

Die Beklagte hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Laos zu Unrecht verneint.

Der Kläger ist nicht nur durch seine Asylantragstellung aufgefallen, sondern der Kläger konnte das Gericht davon überzeugen, daß er sich exilpolitisch engagiert und persönlich exponiert hat. Es ist unerheblich, ob der Kläger die sich bietende Gelegenheit des Umbruchs in der ehemaligen DDR nur nutzte, um wie seine Geschwister in einem freien Land zu leben oder ob ein wirklicher Einsatz für Demokratie und Menschenrechte dahintersteht. Das Gericht geht jedenfalls davon aus, daß der Kläger sich im Kreis seiner Mitstudenten oppositionell betätigt hat, indem er sich dort für die Einführung demokratischer Strukturen und die Einhaltung der Menschenrechte in seinem Heimatland einsetzte. Daß dies über den Gruppenleiter an die laotische Botschaft gemeldet und der Kläger deshalb als einziger aufgefordert wurde, seine Ausbildung abzubrechen und vorzeitig in sein Heimatland zurückzukehren, während die Mitstudenten ihre Ausbildung in Deutschland beenden konnten, erscheint dem Gericht glaubhaft.

Auf dem Hintergrund der dem Gericht vorliegenden Auskünfte hat eine Person, bei der die genannten Voraussetzungen vorliegen, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer politischen Verfolgung in ihrem Heimatland zu rechnen.

Die Situation bei einer Rückkehr nach Laos stellt sich nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen wie folgt dar:

Das Auswärtige Amt spricht in seiner Auskuknft vom 16.9.1993 davon, daß die laotischen Asylbewerber im Falle ihrer Rückkehr nach Laos mit keinen staatlichen Maßnahmen zu rechnen hätten. Derartige Fälle seien nicht bekanntgeworden. Negative Maßnahmen auf laotischer Seite würden nicht ins Bild passen, welches sowohl Laos als auch Vietnam im Zusammenhang mit der "weichen" Wiedereingliederung von Rückkehrern der Weltöffentlichkeit präsentieren möchten. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6.5.94 hätten diejenigen, die der Aufforderung der Botschaft, nach Laos zurückzukehren, nicht gefolgt seien, eine Bestrafung wegen Republikflucht nicht zu erwarten. Der Auslandsaufenthalt im Westen und die Stellung des Asylantrags habe keine negativen Folgen.

Amnesty International führt in der Stellungnahme vom 30.4.93 aus, die Stellung eines Asylantrags sei nach dem 1989 verabschiedeten Strafgesetz nicht ausdrücklich mit Strafe bedroht. Die Stellung eines Asylantrages im Ausland und die darin enthaltene Kritik bringe den Antragsteller in den Augen der laotischen Behörden in den Verdacht der Regimegegnerschaft und sonstiger politischer Unzuverlässigkeit. Der Inhalt der Begründung des Asylantrags und die Art und Weise, wie das Verfahren betrieben werde, werde bei der Art der Bestrafung eine entscheidende Rolle spielen. Wenn der Asylantrag eine scharfe Kritik und beleidigende Äußerungen enthalte, könne dies zu einer verschärften Bestrafung führen. Gleiches dürfte gelten, wenn ein Asylantrag publikumswirksam betrieben und auf diese Weise im Ausland eine oppositionelle Handlung gegen das Regime begangen werde. Amnesty International seien aber Referenzfälle hierzu nicht bekannt.

Prof. Lulei führt in seinem Gutachten vom 15.7.92 aus, Laos verhalte sich im allgemeinen gegenüber laotischen Staatsangehörigen, die das Land ohne staatliche Erlaubnis verlassen hätten oder aus dem Ausland nicht in der vorgegebenen Zeit zurückgekehrt seien, großzügig. Mit einer Bestrafung wegen Nichtbefolgung der Rückreiseaufforderung und wegen der Flucht in die Bundesrepublik Deutschland sei nicht zu rechnen. Sollte einem laotischen Staatsangehörigen jedoch oppositionelle politische Tätigkeit im Ausland vorgeworfen werden, müsse er mit Repressionsmaßnahmen rechnen. Diese würden wahrscheinlich mehr indirekte als direkte Formen annehmen, d.h. er könnte bei der Arbeitssuche, im Bemühen um weitere Qualifizierung, bei der Eröffnung eines selbständigen Geschäftes und im täglichen Leben überdurchschnittliche Schwierigkeiten bekommen. Der Grad der Wahrscheinlichkeit und der Intensität solcher Maßnahmen sei allerdings schwer vorherzusagen, da er von vielen Faktoren, wie z.B. Umfang und Wirksamkeit der politischen Tätigkeit im Ausland und von seinem politischen Verhalten bei einer Rückkehr abhänge.

Das Institut für Asien-Kunde weist in seiner Stellungnahme vom 19.5.1994 darauf hin, in Laos stehe heute der Kampf gegen Beamtenkorruption sowie gegen die innerlaotische Guerilla im Vordergrund. Die Haltung zu den Auslandslaoten sei in den letzten Jahren immer positiver geworden.

Frau Miehlau weist in ihrem Gutachten vom 20.8.96 und in der ergänzenden Stellungnahme dazu vom 9.9.1996 darauf hin, ihr persönlich seien vier Fälle von laotischen Staatsbürgern bekannt, die nach Asylantragstellung nach Laos zurückgekehrt seien. In diesen Fällen hätten den laotischen Behörden aber keine Informationen über den in Deutschland gestellten Asylantrag vorgelegen, weil diese Personen nicht unter dem Namen, unter dem sie in Deutschland registriert gewesen seien, in Laos eingereist seien. Ihres Wissens gebe es keinen Asylantragsteller, der nach abgelehnter Asylantragstellung unter seinem Namen nach Laos zurückgekehrt sei. Demzufolge liege keine Information vor, was mit solchen zurückgekehrten Laoten geschieht, deren Asylanträge in Deutschland abgelehnt worden seien. Wenn einer der laotischen Studenten in Deutschland Asyl beantragt habe und dennoch nach Laos zurückkehre, sei es normalerweise den laotischen Behörden nicht möglich zu erfahren, ob ein Rückkehrer in Deutschland Asyl beantragt habe oder nicht, wenn ein solches Asylverfahren seitens der deutschen Behörden vertraulich behandelt worden sei. Es sei aber denkbar, daß es unter den hier lebenden Laoten Zuträger zu den laotischen Behörden gibt.

Auf Grund von Erfahrungen und Beobachtungen gehe sie davon aus, daß im Falle des Bekanntwerdens der Asylantragstellung im Gastland mit einer längeren Haftstrafe in Laos zu rechnen sei, zumal kein rechtsstaatliches System nach unseren Vorstellungen in Laos existiere und die Frage nicht beantwortet werden könne, ob der Angeklagte ein faires Verfahren bekomme oder ob ihm die Möglichkeit eines Rechtsbeistandes gegeben werde.

Die Würdigung dieser Erkenntnisquellen ergibt, daß allein die Asylantragstellung, die den laotischen Behörden nicht bekannt wird oder die nicht fristgerechte Heimkehr nach Abschluß des Studienaufenthalts nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer politischen Verfolgung führt. Der Kläger kann jedoch nicht mit den laotischen Studenten verglichen werden, die der Aufforderung der laotischen Behörden nach Abschluß ihrer Studien nach Laos zurückzukehren nicht gefolgt sind. Gleiches gilt auch im Vergleich zu Studenten, die deshalb zurückgerufen werden, weil die Ausbildung in einem bestimmten Land oder in einem bestimmten Ausbildungsgang allgemein eingestellt wurde. Der Kläger hat sich nämlich bei den monatlichen Zusammenkünften der laotischen Studenten an seiner Sprachenschule in besonderer Weise exilpolitisch exponiert. Dies ist auch den laotischen Behörden bekannt geworden. Wenn der Kläger nun vorzeitig seine Ausbildung abbrechen und nach Hause zurückkehren sollte, so kann dies nur an seinem Auftreten und seinen regimekritischen Äußerungen gelegen haben. Die individuelle vorzeitige Zurückrufung, verbunden mit dem Abbruch des Studiums stellen den Anfang der Sanktionen gegen den Kläger dar. Das Gericht ist deshalb davon überzeugt, daß dem Kläger in seinem Heimatland politische Verfolgung i.S. v. § 51 AuslG droht.