VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 12.03.1998 - 5 K 2645/94.A - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13530
Leitsatz:
Schlagwörter: Zaire, Demokratische Republik Kongo, Demonstrationen, Haft, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachtfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, MNC/L, PALU, Überwachung im Aufnahmeland, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Minderjährige, Krankheit, Medizinische Versorgung
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53 Abs. 6 S. 1
Auszüge:

Vorliegend kann offenbleiben, ob der Asylsuchende vorverfolgt in das Bundesgebiet gelangt ist. Denn er ist nach Überzeugung der Kammer im Falle seiner Rückkehr in die Heimat hinreichend sicher vor (erneuter) Verfolgung.

Die Klägerseite hat sich im Verlaufe des Verfahrens auf drohende bzw. erlittene Verfolgung durch das Regime des (inzwischen verstorbenen) Diktators Mobutu berufen. Da dieses Regime jedoch im Mai 1997 durch die AFDL (Alliance des Forces Démocratique pour la Libération du Congo/Zaire) beseitigt wurde und die Demokratische Republik Kongo nunmehr unter der Herrschaft des Präsidenten Kabila steht, kann von der durch die Klägerseite behaupteten - und zu ihren Gunsten als wahr unterstellten - früheren Gefährdungssituation nicht mehr ausgegangen werden.

Zwar verkennt die Kammer nicht, daß die Menschenrechtssituation im Lande durchaus schlecht ist, es zu Menschenrechtsverletzungen schwerwiegender Art - etwa in Gestalt extralegaler Hinrichtungen, Folterungen, Selbstjustiz der AFDL, rechtswidriger Beschlagnahmungen usw. - kommt. Dennoch rechtfertigt die dargestellte Menschenrechtssituation nicht die Annahme, es bestehe keine hinreichende Sicherheit der zurückkehrenden Asylbewerber vor (erneuter) politischer Verfolgung. Die zum Teil detaillierten Schilderungen der Auskunftsstellen deuten darauf hin, daß es sich bei den Menschenrechtsverletzungen (Übergriffen) entweder um Exzeßtaten von Soldaten, AFDL-Anhängern und Amtsträgern oder aber um durchaus gezielte Reaktionen auf ein bestimmtes Verhalten von im Lande lebenden Personen (Oppositionelle) handelt, etwa um Reaktionen auf öffentliche politische Tätigkeit, welche allen Parteien und Personen - außer der AFDL und deren Mitgliedern - verboten ist. Die Menschenrechtsorganisationen geben - so die Darstellung des Auswärtigen Amtes in seinem Lagebericht vom 18. September 1997 - an, daß Soldaten, Befehlshaber und Organe der AFDL des öfteren eigenmächtig Verhaftungen anordnen mit der Folge, daß die betroffenen Opfer nicht immer erkennen könnten, ob die handelnden Personen im Auftrag der AFDL, der Justiz oder der Exekutive handelten. Oftmals sind die dargestellten Übergriffe die Folge einer Teilnahme an ungenehmigten Demonstrationen bzw. Versammlungen.

Bezüglich der zurückkehrenden Asylbewerber und der vorzunehmenden Verfolgungsprognose nach dem herabgestufen Wahrscheinlichkeitsmaßstab kann aber nur von den Tatsachen ausgegangen werden, die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG). Es kann nicht hinzugedacht und damit unterstellt werden, daß die Rückkehrer in ihrer Heimat ein Verhalten an den Tag legen, welches Anlaß zu asylerheblichen Übergriffen gäbe. Hierzu bedürfte es eines gesicherten Wissens dergestalt, ob überhaupt und unter welchen äußeren Gegebenheiten der Rückkehrer eine etwaige oppositionelle Gesinnung gegenüber dem neuen Regime nach außen dokumentiert.

Asyl ist auch nicht wegen der geltend gemachten exilpolitischen Betätigung im Bundesgebiet aus dem Gesichtspunkt sogenannter selbstgeschaffener Nachfluchttatbestände (§ 28 AsylVfG) zu gewähren.

Auch soweit Asylbewerber sich im Bundesgebiet an Aktionen gegen das neue Regime unter Präsident Kabila beteiligt haben, etwa an der Bonner Kundgebung vom 30. Juni 1997 anläßlich des 37. Jahrestages der nationalen Unabhängigkeit des ehemaligen Zaire, kann eine drohende politische Verfolgung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Sollten derartige exilpolitische Aktionen überhaupt in der Demokratischen Republik Kongo wahrgenommen und registriert werden - was derzeit eher unwahrscheinlich ist -, ist jedenfalls davon auszugehen, daß das Regime Kabila Proteste von ihm Ausland befindlichen Personen als ihm nicht gefährlich einstuft. In diesem Zusammenhang fällt ins Gewicht, daß Kabila nach seiner Machtübernahme alle im Ausland lebenden ehemaligen Gegner des Mobutu-Regimes aufgefordert hat, in die Heimat zurückzukehren, um am Wiederaufbau des Landes teilzunehmen. Im übrigen ist den Regierenden bekannt, daß der Personenkreis der Asylbewerber in der Regel alles unternimmt, um ein dauerhaftes Bleiberecht im europäischen Ausland zu erlangen.

Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für die Frage, ob alleine die Asylantragstellung im Ausland schon zu einer Gefährdung im Falle der Rückkehr führt. Auch insoweit ist eine reale Verfolgungsgefahr nicht erkennbar.

Für die Klägerin zu 3) ist allerdings ein Abschiebungshindernis gem. § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG anzuerkennen. Dies folgt aus den ärztlich attestierten gesundheitlichen Gefahren, die der Klägerin zu 3) im Falle ihrer Rückkehr in den Kongo bei dessen heutiger desolater Situation im Gesundheitswesen drohen. Hier besteht die konkrete Gefahr irreparabler Schäden, wenn vor allem die intensive krankengymnastische Behandlung des Mädchens nicht weiter durchgeführt werden kann. Bei dieser Sachlage ist das in § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG eröffnete Ermessen des Bundesamtes als dahin reduziert anzusehen, daß der Klägerin zu 3) vorläufiger Abschiebungsschutz zu gewähren ist (sog. zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis).