OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Urteil vom 11.05.1998 - 3 R 29/98 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13524
Leitsatz:
Schlagwörter: Jugoslawien, Kosovo, Albanien, Gruppenverfolgung, Verfolgungsprogramm, Verfolgungsdichte, Demonstrationen, Glaubwürdigkeit, Sippenhaft, Abschiebungsschutz, Situation bei Rückkehr, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Antragstellung als Asylgrund, Illegale Ausreise, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Berufung
Normen: AuslG § 51; AuslG § 53 Abs. 6
Auszüge:

Ein Asylanspruch der Kläger ergibt sich nicht bereits mit Blick auf die angegebene albanische Volkszugehörigkeit unter dem Aspekt einer staatlichen Gruppenverfolgung aller ethnischen Albaner in "Rest-Jugoslawien" beziehungsweise - nunmehr - im Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien. Eine solche fand auch ind er ehemals autonomen Provinz Kosovo weder im Zeitpunkt der Ausreise noch im Zeitraum der Ausreise noch im Zeitraum danach bis heute statt.

Nichts anderes ergibt sich auch mit Blick auf die in jüngerer Zeit von Menschenrechtsvereinigungen behaupteten Befragungen und in Einzelfällen sogar Schlagen von Rückkehrern in der Bundesrepublik Jugoslawien durch serbische Polizei. Diese Berichte lassen nach der Rechtsprechung des Senats nicht den Schluß zu, jeder nach Jugoslawien zurückkehrende Asylbewerber werde mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit "programmgemäß" mißhandelt.

Die diesbezüglichen Bemühungen des Auswärtigen Amtes beziehungsweise der Deutschen Botschaft in Belgrad um Klärung durch Kontaktaufnahme auch mit Menschenrechtsvereinigungen haben zudem in aller Regel nicht zur Bestätigung und damit nicht zu eine abweichende Beurteilung

rechtfertigenden Ergebnissen geführt. Da keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine entscheidungserhebliche negative Veränderung der insoweit maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse gegeben sind, hätten die Kläger gegenwärtig und auf absehbare Zeit bei einer Rückkehr in das Heimatland nicht mit politischer Verfolgung allein schon wegen einer albanischen Volkszugehörigkeit zu rechnen. Das gilt auch angesichts der nach Presseberichten mit einer Ermordung auch von Zivilisten albanischer Volkszugehörigkeit einhergehenden Aktionen der serbischen Polizei Anfang März 1998 - angeblich - zum Zwecke der "Terrorismusbekämpfung"; diese dem Vernehmen nach im Anschluß an die Erschießung serbischer Polizisten nach den Berichten mit der für die serbischen Sicherheitskräfte im Kosovo üblichen Brutalität ausgeführten Übergriffe, die neben anderen politischen Ereignissen im Zusammenhang mit dem Kosovo-Konflikt auch in dem von den Klägern in der mündlichen Verhandlung in bezug genommenen Artikel aus der Zeitung "Le monde diplomatique" näher geschildert werden, gegen die Bewohner von zuvor in der Presse immer wieder als "Hochburg" der sogenannten "Befreiungsarmee Kosova" (UCK) bezeichneten Dörfern westlich von Pristina, beschränkten sich räumlich auf die Region Drenica und zeitlich auf einige Tage; aus ihnen läßt sich daher keine konkrete Gefährdung aller Albaner im gesamten Kosovo ableiten.

Gleiches gilt für die Zusammenstöße zwischen serbischen Einheiten und bewaffneten Albanern im Bereich der Grenze zu Albanien westlich von Gjakove und Decani im April 1998.

Allein die Verwandschaft mit einem von den seit 1990 serbisch dominierten Sicherheitskräfnten im Kosovo Gesuchten - hier einmal unterstellt für den Ehemann und Vater beziehungsweise Großvater der Kläger, der inzwischen der Familie nach Deutschland gefolgt und dessen Verfahren noch nicht abgeschlossen ist - würde ebenfalls nicht schon eine über eine lediglich latente Gefährdungslage hinausgehende konkrete Gefahr (eigener) politischer Verfolgung für die Kläger persönlich begründen. Selbst für Ehegatten läßt sich nicht feststellen, daß die serbischen Behörden generell eine Angehörigenverfolgung im Sinne einer asylrechlich erheblichen Sippenhaft praktizieren.

Die Kläger zu 1) bis 5) haben nach der Auskunftslage im Rückkehrfalle weder allein in bezug auf eine unerlaubte Ausreise noch wegen der Stellung eines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland politische Verfolgung zu erwarten.

Schließlich liegen Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG nicht vor. Diese Bestimmung setzt im Einzelfall eine erhebliche, individuell-konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Betroffenen voraus. Es muß mithin eine - hier nicht erkennbare - schwere existentielle Bedrohung konkret zu befürchten sein, was sich nicht bereits aus der allgemeinen, von der serbischen Repression gegen die albanische Bevölkerungsmehrheit gekennzeichneten Lage im Kosovo oder gar aus der von den Klägern behaupteten Beschlagnahme einer früheren Wohnung der Familie in der Rruga Fabrikes No. 5 in Mitrovica, bei der es sich nach der vorgelegten Übersetzung einer angeblichen "Bescheinigung" vom 30.12.1996 ohnedies um eine - wie im früheren Jugoslawien üblich - an den Arbeitsplatz geknüpfte Wohnung gehandelt haben dürfte, herleiten läßt.