OVG Saarland

Merkliste
Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 20.02.1998 - 1 Q 135/97 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13420
Leitsatz:
Schlagwörter: Sri Lanka, Tamilen, Abschiebungshindernis, Situation bei Rückkehr, Valid reason, Interne Fluchtalternative, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Rechtliches Gehör, Bundesamt, Anhörung, Verwaltungsgericht, Prüfungskompetenz, Durchentscheiden, Familienasyl, Krankheit
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3; VwGO § 138 Nr. 3 ; AsylVfG § 26 Abs. 2 S. 2
Auszüge:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der Sache kommt nicht die von dem Beigeladenen geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Verständnis des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu.

Der Beigeladene hält zunächst für grundsätzlich bedeutsam die Frage, ob das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Asylanspruchs vollständig prüfen durfte, obwohl er vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge nicht angehört wurde und das Bundesamt ohne Individualprüfung eine "derivative" Asylanerkennung ausgesprochen hat; eine solche Verfahrensweise stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs dar. Insoweit stellt sich bereits die Frage, ob damit der Beigeladene im Gewande der Grundsatzrüge in Wahrheit eine Gehörsrüge (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) geltend machen will. Dies kann aber offen bleiben, denn mit beidem dringt der Beigeladene nicht durch.

Die aufgeworfene Grundsatzfrage läßt sich ohne weiteres dahingehend beantworten, daß das Verwaltungsgericht nicht nur befugt, sondern nach allgemeinen prozessualen Regeln und aus Gründen des dem Asylverfahrensgesetz innewohnenden Beschleunigungsgrundsatzes gehalten war, den angefochtenen Anerkennungsbescheid der Beklagten vollumfänglich zu überprüfen.

Wie sich aus den beigezogenen Verwaltungsunterlagen ergibt haben die Eltern des am 10.5.1993 geborenen Beigeladenen für diesen unverzüglich nach seiner Geburt am 19.5.1993 bei der Beklagten einen Asylantrag im Sinne von § 13 Abs. 1 und 2 AsylVfG gestellt. Dieser beinhaltete - ohne jede Einschränkung - das Begehren, als Asylberechtigter anerkannt zu werden und Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat zu finden, in dem ihm die in § 51 Abs. 1 AuslG bezeichneten Gefahren drohen. In ihrem Bescheid vom 4.6.1993 hat die Beklagte die Anerkennung des Beigeladenen mit Blick auf die ursprünglich durch Bescheid vom 27.4.1993 festgestellte Asylberechtigung seiner Eltern (allein) auf § 26 Abs. 2 S. 2 AsylVfG gestützt und nicht etwa auch die Frage einer Gruppenverfolgung tamilischer Asylbewerber (eine Individualverfolgung bei dem 1993 in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Beigeladenen scheidet von vorneherein aus) geprüft.

In seinen Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht die Aufhebung des nach § 26 AsylVfG ergangenen Anerkennungsbescheides der Beklagten zunächst damit begründet, daß das Asylbegehren der Eltern des Beigeladenen rechtskräftig abgelehnt worden ist. Sodann hat es in Ansehung des anhängig gemachten Streitgegenstandes untersucht, ob der Anerkennungsbescheid aus anderen - in der Person des Beigeladenen liegenden - Gründen Erfolg haben kann. Diese Vorgehensweise ist nach dem Gesagten nicht zu beanstanden. Vergleichbar mit der hier gegebenen Fallgestaltung ist die Situation, daß ein - ohne persönliche Anhörung des Betroffenen - allein auf die Annahme einer Gruppenverfolgung gestützter Anerkennungsbescheid in der nachfolgenden gerichtlichen Instanz nach Verneinen einer derartigen Verfolgung unter dem Gesichtspunkt einer Individualverfolgung des Asylsuchenden auf seine Rechtmäßigkeit untersucht wird. Ähnliches gilt bei einer Umstellung von Vorflucht- auf (beachtliche) Nachfluchtgründe. Stets handelt es sich lediglich um ein Auswechseln der Anerkennungsgrundlage, und deshalb muß das mit der Sache befaßte Gericht durchentscheiden.

Wollte man dagegen in diesen Fällen das Gericht zur Zurückverweisung der Sache verpflichten und so das Bundesamt mit einer Anhörung oder einem Eingehen auf die individuellen Gründe betrauen, liefe dies offenkundig dem auch zugunsten des Asylbewerbers wirkenden Beschleunigungszweck des Asylverfahrens zuwider.

Der Zulassungsgrund eines Gehörsverstoßes ist gleichfalls nicht gegeben. Die erfolgreiche Darlegung eines solchen Zulassungsgrundes erfordert nämlich den substantiierten Vortrag dessen, was bei Gewährung des vermißten Gehörs noch ausgeführt worden wäre.

Hieran fehlt es hier. Auch ist nicht ersichtlich, was der vierjährige, in Deutschland geborene Beigeladene oder seine gesetzlichen Vertreter noch zu seinen Asylgründen hätten vortragen können. Die Frage seiner schweren Erkrankung (Hydrocephalus) hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung, ob der Anerkennungsbescheid der Beklagten ungeachtet des Fehlens der Voraussetzungen des § 26 AsylVfG unter dem Blickwinkel eigener Asylgründe des Beigeladenen Bestand haben kann, erörtert und mit zutreffenden Gründen verneint.

Eine Entscheidung dieser Frage anhand des § 53 AuslG war nicht Bestandteil des angefochtenen Bescheides, gehört daher nicht zum Streitgegenstand dieses Verfahrens und ist folgerichtig im Urteil des Verwaltungsgerichts nicht erfolgt.

Der Beigeladene hält weiter für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage, ob aus dem Ausland zurückkehrende erfolglose tamilische Asylbewerber aus Sri Lanka, die vor ihrer Flucht nicht im Großraum Colombo oder im Süden Sri Lankas ansässig waren und denen kein Personalausweis in Colombo oder in einem anderen Ort im Süden ausgestellt wurde, in Colombo und/oder im Süden Sri Lankas eine inländische Fluchtalternative finden. Die angesprochene Problematik rechtfertigt indes nicht die Zulassung der Berufung, denn die Frage ist im Anschluß an die bisherige Senatsrechtsprechung auch unter Würdigung der von dem Beigeladenen ins Feld geführten Materialien nach wie vor klar zu bejahen.