BlueSky

EuGH: Keine Inhaftierung allein aufgrund der illegalen Überschreitung einer „Schengen“-Binnengrenze

In einem aktuellen Urteil stellt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) fest, dass die Inhaftierung von Nicht-EU-Bürgern, die allein aufgrund der illegalen Einreise über eine Binnengrenze des Schengen-Raums erfolgt, gegen die sogenannte Rückführungsrichtlinie der EU verstößt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn kein Rückkehrverfahren im Sinne der Richtlinie durchgeführt wurde.

Der Entscheidung liegt der Fall von Frau Sélina Affum zugrunde, die 2013 von der französischen Polizei am Ärmelkanal-Tunnel an Bord eines Reisebusses auf dem Weg von Belgien nach Großbritannien kontrolliert wurde. Da die ghanaische Staatsangehörige einen belgischen Reisepass einer anderen Person vorzeigte und keine eigenen Identitätsdokumente mit sich führte, wurde sie aufgrund einer Bestimmung im französischen Recht, wonach die illegale Einreise strafbar ist, in Polizeigewahrsam genommen. Die französischen Behörden ersuchten sodann Belgien um Wiederaufnahme der Betroffenen aufgrund einer Zuständigkeitsvereinbarung für Personen an den Grenzen zwischen Frankreich und den Benelux-Staaten.

Frau Affum machte gegen die anschließend von den französischen Behörden angeordnete Verwaltungshaft zum Zwecke ihrer Abschiebung geltend, ursprünglich rechtswidrig in Polizeigewahrsam genommen worden zu sein.Vor den französischen Gerichten unterlag sie zunächst in zwei Instanzen, bevor der französische Kassationsgerichtshof entschied, den EuGH anzurufen. Er legte dem europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob nach der sogenannten Rückführungsrichtlinie der EU (RL 2008/115/EG) die illegale Einreise von Drittstaatsangehörigen – also Nicht-EU-Bürgern – mit Freiheitsentzug geahndet werden kann.

In seinem Urteil vom 7. Juni 2016 (C-47/15) erklärt der EuGH, dass die EU-Mitgliedstaaten nicht allein aufgrund einer illegalen Einreise die Inhaftierung von Drittstaatsangehörigen gestatten dürfen. Unter Bezugnahme auf seine Entscheidung in der Rechtssache El Dridi (Urteil vom 28.04.2011, C-61/11) unterstreicht er, dass die Rückführungsrichtlinie in solchen Fällen ein abgestuftes Rückkehrverfahren vorsieht, welches Freiheitsentzug nur als letztes Mittel gestattet. Weiter bezieht sich der Gerichtshof auf seine Entscheidung in der Rechtssache Achughbabian (Urteil vom 06.12.2011, C-329/11), wonach Regelungen in den einzelnen Staaten, die den Freiheitsentzug wegen illegalen Aufenthalts von Drittstaatsangehörigen vorsehen, ohne dass dieses Rückkehrverfahren abgeschlossen wurde, rechtswidrig sind. Die Richtlinie ist laut Gerichtshof auch dann anwendbar, wenn sich Drittstaatsangehörige nur auf Durchreise befinden, bei Ausreise aus dem Schengen-Raum festgenommen werden und ein Wiederaufnahmeverfahren in dem Mitgliedsstaat, aus denen sie kamen, eingeleitet wird.