So zitiert der Tagesspiegel die SPD-Landtagsabgeordnete Inka Gossmann-Reetz mit der Aussge, dass der Erlass bundesweit einmalig sei (tagesspiegel.de vom 3. Januar 2016). Die Regelung gehe zurück auf einen Beschluss des Landtags vom April 2016, in dem die Landesregierung aufgefordert worden war, ein Bleiberecht für Betroffene von rassistischen, rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Straftaten zu schaffen.
Im Erlass der Landesregierung, der im Internet veröffentlicht wurde, wird zunächst auf die Regelung des § 60a Absatz 2 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) verwiesen. Danach sind Abschiebungen schon jetzt zwingend auszusetzen, wenn Betroffene als Zeugen in einem Strafverfahren aussagen sollen. Die Entscheidung, ob ihre Anwesenheit für das Strafverfahren notwendig ist, trifft die Staatsanwaltschaft oder das Strafgericht.
Über diese Regelung hinaus sieht der brandenburgische Erlass nun vor, dass die Ausländerbehörden Abschiebungen von Opfern rechter Gewalt auf der Grundlage des § 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG aussetzen sollen. Nach dieser Vorschrift kann ausreisepflichtigen Personen eine Duldung aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen oder erheblichen öffentlichen Interessen erteilt werden. Laut dem Erlass sind diese Kriterien bei Opfern rechter Gewalt regelmäßig erfüllt: So sollten Opfer einer rechtsmotivierten Gewaltstraftat eine Wiedergutmachung erfahren und es soll ihnen Sicherheit und Schutz angeboten werden. Beides sei als dringender humanitärer Grund anzusehen. Darüber hinaus habe das Land Brandenburg "ein erhebliches öffentliches Interesse daran, den mutmaßlichen Tätern der Gewalttat zu verdeutlichen, dass ihrem Opfer durch eine Verfestigung des Aufenthalts Gerechtigkeit widerfährt und das Gegenteil dessen erreicht wird, was die Täter beabsichtigten."
Aufgrund dieser Vorgaben sollen die Ausländerbehörden in Brandenburg künftig auf dem Ermessenweg mindestens eine Duldung auf der Grundlage des § 60 Absatz 2 Satz 3 AufenthG erteilen. Darüber hinaus kommt auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Betracht: Da die Ausreise aus rechtlichen Gründen als unmöglich anzusehen sei, könne hier auf der Grundlage des § 25 Absatz 5 Satz 1 AufenthG unmittelbar eine Aufenthaltserlaubnis ausgestellt werden, wenn mit der Ausreise in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei. Regelmäßig erteilt werden soll die Aufenthaltserlaubnis zudem auf dem Ermessensweg, wenn die Betroffenen bereits für einen Zeitraum von 18 Monaten Duldungen hatten (§ 25 Absatz 5 Satz 2 AufenthG).
Der Erlass kann zur Anwendung kommen, wenn ein dringender Verdacht besteht, dass die betroffene Person Opfer einer rechtsmotivierten Gewaltstraftat wurde. Als Gewaltstraftat gelten die Delikte, die in der bundeseinheitlichen Kriminalstatistik genannt werden (Körperverletzungen, versuchte Tötungsdelikte, Brand- und Sprengstoffdelikte, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, Delikte des Landfriedensbruchs sowie Sexualdelikte). Der Straftat müsse ein gewisses Gewicht zukommen. Dies sei insbesondere der Fall, wenn die Tat erhebliche Folgen für die physische oder psychische Gesundheit oder die Freiheit des Opfers hatte. Zur Beurteilung der Auswirkungen der Tat auf das Opfer können Stellungnahmen von Beratungsstellen herangezogen werden.
Ausgeschlossen von der Regelung sind Personen, die wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wurden (analog zu § 60a Absatz 2 Satz 6 AufenthG) oder die Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen haben oder eine Gefahr für die Sicherheit und Allgemeinheit darstellen (analog zu § 25 Abs. 3 Satz 3 AufenthG). Weiterhin ausgeschlossen vom Bleiberecht sind Personen, wenn sich im Laufe des Strafverfahrens herausstellt, dass sie die "Opferrolle selbst gewählt bzw. verursacht" haben.