ECRE-Kritik an Flughafenverfahren in Deutschland

Der Europäische Flüchtlingsrat ECRE hat in einem am 24. Mai 2019 veröffentlichten Bericht deutliche Kritik am sogenannten Flughafenverfahren geübt. So stünden die rechtlichen Grundlagen des Verfahrens nicht im Einklang mit europarechtlichen Vorgaben, darüber hinaus lägen Berichte über oberflächliche und unzureichende Prüfungen von Asylanträgen vor.

Das Flughafenverfahren ist in Deutschland in § 18a des Asylgesetzes als Verfahren geregelt, das "vor der Entscheidung über die Einreise" durchgeführt wird. Zur Durchführung des Verfahrens gibt es daher in den Transitzonen mehrerer Flughäfen spezielle Unterbringungseinrichtungen. Im Jahr 2018 wurde das Verfahren aber beinahe ausschließlich an den Flughäfen Frankfurt/Main und München durchgeführt: Von 564 Verfahren fanden 475 in Frankfurt und 88 in München statt, lediglich 1 Verfahren wurde in Düsseldorf registriert (Auskunft der Bundesregierung vom 25.3.2019, Bundestags-Drs. 19/8701).

Der ECRE-Bericht beruht auf einer Recherche im April 2019, bei der die Einrichtung am Frankfurter Flughafen besucht wurde. Daneben wurden Interviews u.a. mit den Kirchlichen Diensten an den Flughäfen Frankfurt und München sowie mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten geführt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stand für Interviews zum Thema nicht zur Verfügung.

In dem Bericht wird einleitend darauf hingewiesen, dass eine wesentliche Voraussetzung für die Durchführung des Flughafenverfahrens die "Fiktion" sei, dass es sich bei der Unterbringung am Flughafen nicht um eine freiheitsentziehende Maßnahme handele. Diese Fiktion sei zwar vom Bundesverfassungsgericht sowie dem Bundesgerichtshof aufrechterhalten worden, stehe aber im Widerspruch zu eindeutigen Aussagen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), wonach der erzwungene Aufenthalt in Transitzonen als Inhaftierung zu werten ist.

Darüber hinaus fehle es im deutschen Asylgesetz an einer klaren Regelung, wonach unbegleitete Minderjährige und andere "verletzliche Gruppen" vom Flughafenverfahren auszunehmen seien. Dies stehe nicht im Einklang mit europarechtliche Vorgaben aus der sogenannten EU-Asylverfahrensrichtlinie zu Personen, die besondere Verfahrensgarantien benötigen (insbesondere Art. 24, Richtlinie 2013/32/EU).

Die Kritik am Verfahrensablauf richtet sich vor allem auf die folgenden Punkte:

  • In den stark verkürzten Verfahren würden die Betroffenen nicht in verständlicher Weise über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt, in vielen Fällen stehe zudem keine Übersetzung in angemessener Qualität zur Verfügung.
  • Insbesondere in Fällen, in denen nicht schon von Beginn an eine anwaltliche Vertretung hinzugezogen wird, werde oberflächlich geprüft.
  • Bei der Prüfung der Asylanträge werde vom BAMF "aktiv" nach Ungereimtheiten und Widersprüchen gesucht, um eine Ablehnung als "offensichtlich unbegründet" rechtfertigen zu können. Dabei würden Maßstäbe des nationalen Rechts sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nur unzureichend beachtet.

Vor dem Hintergrund dieser Kritik empfiehlt der Bericht, im Asylgesetz verschiedene Klarstellungen vorzunehmen. Daneben solle die Bundespolizei die Entscheidung, eine Person in der Einrichtung am Flughafen festzuhalten, individuell begründen. In diesem Zusammenhang müsse geprüft werden, ob die Inhaftierung notwendig und angemessen sei und ob Alternativen zur Verfügung gestanden hätten. Ferner wird angeregt, dass das BAMF eine Initiative zur Qualitätssicherung im Flughafenverfahren starten solle.


Hinweis

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