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Generalanwältin beim EuGH zur Prüfung der sexuellen Orientierung im Asylverfahren

Die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat am 17. Juli 2014 ein Rechtsgutachten vorgelegt, in dem sie strenge Voraussetzungen für die Überprüfung der sexuellen Orientierung von Asylsuchenden fordert. Hintergrund ist das beim EuGH anhängige Verfahren "A, B, C gegen die Niederlande" (C-148/13, C-149/13, C-150/13).

 

 

In dem zugrunde liegenden Fall hatten die niederländischen Behörden die Asylanträge von drei Männern abgelehnt. Sie hatten angegeben, wegen ihrer Homosexualität in ihren jeweiligen Herkunftsländern verfolgt zu werden. Die Behörden lehnten die Anträge mit der Begründung ab, die drei Kläger hätten ihre Homosexualität nicht glaubhaft belegen können.

Der niederländische Raad van State, bei dem die drei Männer Rechtsmittel gegen die Entscheidungen eingelegt hatten, stellte fest, dass die Prüfung, ob ein Antragsteller wegen seiner sexuellen Ausrichtung zu einer bestimmten sozialen Gruppe gehöre, möglicherweise komplexer sei als die Prüfung anderer Verfolgungsgründe. Die sogenannte Qualifikationsrichtlinie der EU gebe keine Hinweise darauf, inwiefern die Mitgliedstaaten die behauptete sexuelle Ausrichtung in Frage stellen könnten, ob es Grenzen gebe und, falls ja, ob diese Grenzen die gleichen seien wie für Asylanträge aus anderen Gründen. Der Raad van State hat daher den Gerichtshof gefragt, ob das Unionsrecht dem Handeln der Mitgliedstaaten Grenzen setzt, wenn in Fällen, in denen Antragsteller die Anerkennung als Flüchtling aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung beantragen, die Glaubhaftigkeit des Vorbringens überprüft wird.

In ihren Schlussanträgen vom 17. Juli 2014 führt Generalanwältin Eleanor Sharpston aus, dass es keine objektive Methode gebe, die von einer Person behauptete sexuelle Ausrichtung mit Bestimmtheit zu beweisen. Die persönliche Autonomie sei ein wichtiger Bestandteil des Rechts auf Privatleben, das durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt sei. Daher müssten die Angaben des Asylsuchenden zu seiner sexuellen Orientierung immer den Ausgangspunkt der Prüfung bilden.

Untersuchungs- oder Befragungsmethoden, die die Würde oder die körperliche Unversehrtheit der Antragsteller verletzten, müssten ausgeschlossen sein. Verletzt würden die Rechte auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Privatleben durch eingriffsintensive und erniedrigende Methoden wie beispielsweise medizinische oder pseudo-medizinische Untersuchungen. Auch zudringliche Befragungen verletzten diese Rechte. Eine zudringliche Befragung sei nicht nur gegeben, wenn der Betreffende zur Vorlage von Foto- oder Videobeweisen für sexuelle Praktiken aufgefordert wird, sondern auch, wenn er zur Vorlage solchen Materials ermuntert oder die Vorlage zugelassen wird.

Da derartige Methoden nicht zulässig seien, müsse sich die Beurteilung, ob die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden soll, auf die Frage konzentrieren, ob die Angaben der Antragsteller glaubhaft seien.

Die Schlussanträge der Generalanwälte beim EuGH sind für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe der Generalanwälte ist es, dem Gerichtshof einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Den Schlussanträgen kommt aber besonderes Gewicht zu, weil der Gerichtshof ihnen in seinen Urteilen nicht selten gefolgt ist. Das Urteil ergeht zu einem späteren Zeitpunkt.

Die Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofs zu den Schlussanträgen ist hier abrufbar (enthalten ist auch ein Link zum Volltext der Schlussanträge):