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Neuer Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu Italien als Aufnahmeland

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hat einen Bericht zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Italien herausgegeben. Dem Bericht zufolge gibt es bei der Unterbringung dieser Gruppen in Italien "systemische Defizite". Insbesondere Personen mit einem Schutzstatus, die aus anderen europäischen Ländern nach Italien zurückgeschickt werden, drohe Obdachlosigkeit.

Eine Delegation der SFH besuchte vom 27. Mai bis zum 7. Juni 2013 Rom und Mailand. Sie führte Gespräche mit Nichtregierungsorganisationen, Behörden und Flüchtlingen, um Informationen über die aktuelle Aufnahmesituation von Asylsuchenden und Flüchtlingen zu sammeln. Auf der Grundlage dieser Recherchen entstand der jetzt veröffentlichte 70-seitige Bericht.

Demnach sind auch Asylsuchende in Italien von einem Mangel an Unterkünften sowie von Schwierigkeiten beim Zugang zum Verfahren betroffen. So müssten Asylsuchende in Mailand und Rom eine Adresse vorweisen, damit sie überhaupt einen Asylantrag stellen könnten. Danach könne es mehrere Monate dauern, bis der Antrag registriert sei. In dieser Zeit hätten die Betroffenen keine Unterkunft und seien meist obdachlos.

Daneben gerieten vor allem Personen, die als Flüchtlinge anerkannt wurden oder einen anderweitigen Schutzstatus erhalten haben, häufig in eine verzweifelte Lage. Nach Abschluss des Asylverfahrens würden sie jeden Anspruch auf soziale Unterstützung verlieren. Sie hätten zwar das Recht zu arbeiten, da aber selbst niedrig bezahlte Tätigkeiten kaum noch zur Verfügung stünden, bliebe vielen nur die Möglichkeit, Gelegenheitsjobs anzunehmen oder schwarz zu arbeiten. Dabei seien sie von Ausbeutung bedroht und der Verdienst reiche meist nicht aus, um die Existenz zu sichern. Die Betroffenen landeten unweigerlich in der Obdachlosigkeit und seien auf Suppenküchen und Notschlafstellen angewiesen. Zahlreiche Personen mit Schutzstatus lebten in heruntergekommenen besetzten Häusern oder in Slums. Auch Frauen, alleinerziehende Mütter, Familien und (vor allem psychisch) Kranke seien von Obdachlosigkeit bedroht.

Betroffen vom Mangel an Unterbringungsplätzen seien auch und gerade Schutzberechtigte, die im Rahmen des "Dublin-Verfahrens" aus anderen europäischen Staaten nach Italien zurückgeschickt werden. Anders als Asylsuchende erhielten sie bei Rückkehr keine Unterstützung durch die an den Flughäfen tätigen Nichtregierungsorganisationen. Für die theoretisch zur Verfügung stehenden Plätze im sogenannten SPRAR-Aufnahmesystem gebe es eine lange Warteliste und der Aufenthalt in den entsprechenden Zentren sei immer zeitlich begrenzt. Wer bei seinem früheren Aufenthalt bereits für die zulässige Höchstdauer in einem solchen Zentrum gewohnt habe, werde überhaupt nicht wieder aufgenommen. Es sei auffällig, dass nur sehr wenige der zahlreichen aus der Schweiz rücküberstellten Personen einen Platz in einem SPRAR-Zentrum gefunden hätten. Es sei daher davon auszugehen, dass diese Option für "Dublin-Rückkehrer" kaum zur Verfügung stünde.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe fordert, vor geplanten Überstellungen nach Italien in jedem Einzelfall konkret abzuklären, was mit der betroffenen Person nach der Überstellung nach Italien geschehen würde.