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ECRE-Studie nennt Defizite im europäischen Asylsystem

Die EU ist nach Ansicht des Europäischen Flüchtlingsrats ECRE noch immer weit von der Verwirklichung eines gemeinsamen Asylsystems entfernt. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die ECRE am 9. September 2014 in Brüssel der Öffentlichkeit präsentierte.

Der Titel der Studie "Mind the Gap" (deutsch: "Achten Sie auf den Abstand!") verweist darauf, dass nach Ansicht der Autoren zwischen dem Anspruch der EU, ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) zu schaffen, und der Realität in den Mitgliedstaaten weiterhin eine große Lücke klafft. So müssten Asylsuchende immer größere Risiken eingehen, um das Territorium der EU zu erreichen. Allein im Rahmen der italienischen Operation "Mare Nostrum" seien über 100.000 Menschen im Mittelmeer aus Seenot gerettet worden. Dies mache deutlich, dass ein enormer Bedarf bestehe, sichere und legale Zugangswege für Flüchtlinge nach Europa zu eröffnen. Stattdessen würden die EU-Staaten aber wieder dazu übergehen, Maßnahmen zu ergreifen, die in der Vergangenheit bereits gescheitert seien und mit denen versucht werde, durch verstärkte "Grenzsicherung" sowie durch die Kooperation mit Staaten außerhalb der EU "illegale Migrationsströme" zu bekämpfen.

Asylsuchende, die die EU erreichen, werden laut ECRE noch immer mit einer Reihe von Problemen konfrontiert, die den Zugang zu einem fairen Asylverfahren behindern. So seien in vielen EU-Staaten weiterhin große Schwierigkeiten in den folgenden Bereichen zu verzeichnen:

  • Fehlender oder eingeschränkter Zugang zu Unterkunft und zur Grundversorgung: Zum Beispiel hätten Asylsuchende in Frankreich im Jahr 2014 durchschnittlich 12 Monate darauf warten müssen, in einer Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende untergebracht zu werden.
  • Inhaftierung von Asylsuchenden auf problematischer Rechtsgrundlage sowie umzureichende Haftbedingungen: In Ungarn hätten sich im April 2014 26% aller Asylsuchenden in Haft befunden.
  • Fehlender Zugang zu kostenloser und qualifizierter Rechtsberatung.
  • Fehlende Mechanismen, um Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen (z.B. Opfer von Folter oder Minderjährige) zu identifizieren und angemessen zu versorgen.

Die erheblichen Unterschiede in Asylrecht und -praxis der EU-Mitgliedstaaten werden in der Studie auch durch umfangreiche Statistiken belegt. Dabei werden zum Beispiel die enormen Abweichungen bei Anerkennungsquoten von Asylsuchenden deutlich:

Demnach erhielten im Jahr 2013 in Frankreich lediglich 17% somalischer Asylsuchende einen Schutzstatus, während die entsprechende Quote in den Niederlanden bei 90% und in Italien bei 96% lag. Auch bei syrischen Asylsuchenden kam es im Jahr 2013 zu starken Abweichungen. Hier erhielten in Italien 51% der Antragsteller Schutz, während es in Deutschland 99% sowie in Bulgarien und Malta jeweils 100% waren. Demgegenüber hatten Asylsuchende aus der Russischen Föderation im Jahr 2013 in Deutschland nur sehr geringe Chancen auf einen Schutzstatus (2%), während die Anerkennungsquoten in anderen europäischen Ländern deutlich höher ausfielen (Österreich: 26%, Frankreich: 26%, Großbritannien: 41%).

Die Studie stellt zugleich den Jahresbericht des Projekts AIDA (Asylum Information Database) dar. Im Rahmen dieses Projekts wurden Berichte zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und zu den Asylverfahren in 15 EU-Mitgliedstaaten gesammelt und ausgewertet. Der Bericht zur Situation in Deutschland wurde vom Informationsverbund Asyl und Migration erarbeitet. Die Berichte wurden im Sommer 2014 aktualisiert.