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Frankreich: Conseil d'Etat setzt Überstellung nach Griechenland aus

Das höchste Verwaltungsgericht Frankreichs, der Conseil d'Etat, hat am 20. Mai 2010 erstmals eine unter der Dublin-II-Verordnung angeordnete Überstellung von Asylsuchenden nach Griechenland ausgesetzt.

Die Entscheidung betrifft eine palästinensische Familie aus dem Irak, die über Griechenland Ende 2009 in Frankreich eingereist war, und im März 2010 aufgefordert wurde, nach Griechenland zurückzukehren. Die Anordnung der Präfektur wurde vom Verwaltungsgericht Marseille mit der Begründung aufgehoben, dass die Familie nicht ausreichend über die Anwendung der Dublin-II-Verordnung unterrichtet worden war. Dagegen klagte das Immigrationsministerium. Der Conseil d'Etat verwirft in seiner aktuellen Entscheidung zunächst die Argumentation des Verwaltungsgerichts Marseille und stellt fest, dass die Familie mit Hilfe eines Dolmetschers angemessen über das Dublin-Verfahren informiert wurde. Darüber hinaus hält der Conseil d'Etat an seiner Rechtsprechung fest, wonach die allgemein verfügbaren Informationen über das griechische Asylverfahren für sich genommen nicht ausreichend seien, um Überstellungen nach Griechenland grundsätzlich als schwerwiegende Verletzung des Rechts auf Asyl zu betrachten. Allerdings sei die Verwaltung gehalten, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Bedingungen, unter denen die griechischen Behörden einen Fall behandeln, den Anforderungen des Rechts auf Asyl entsprechen. Im vorliegenden Fall würden insbesondere medizinische Atteste und Zeugenaussagen zur Behandlung der Familie durch die griechischen Behörden den Schluss zulassen, dass das Asylrecht durch Griechenland nicht respektiert werde. Daher würde unter den besonderen Umständen des Falls eine Überstellung der Familie nach Griechenland eine schwerwiegende und offensichtlich unrechtmäßige Beeinträchtigung des Grundrechts auf Asyl darstellen. 

Die Entscheidung ist auf der Seite des Conseil d'Etat abrufbar.