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EGMR verurteilt Ungarn wegen der Inhaftierung von Asylsuchenden

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 23. Oktober 2012 zwei Entscheidungen veröffentlicht, in denen Ungarn erneut wegen unrechtmäßiger Inhaftierung von Asylsuchenden verurteilt wurde. Dies berichtete der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Europa in einer Mitteilung vom selben Tag.

Im jetzt vom EGMR entschiedenen Fall Al-Tayyar Abdelhakim (13058/11) war der palästinensische Kläger im Juli 2010 bei der Einreise nach Ungarn festgenommen worden, weil er einen gefälschten Pass hatte. Obwohl er am Tag seiner Einreise Asyl beantragt hatte, blieb er bis zum November 2010 inhaftiert.

Im Fall Hendrin Ali Said and Aras Ali Said (13457/11) waren die Kläger im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens im September 2010 aus den Niederlanden an Ungarn überstellt worden und bis zum Januar 2011 inhaftiert, obwohl auch sie unmittelbar nach der Überstellung deutlich gemacht hatten, dass sie Asylsuchende seien. 

Die ungarische Regierung hatte beim EGMR vorgetragen, dass die Inhaftierung von Asylsuchenden nur dann unzulässig sei, wenn Personen allein aufgrund ihrer Asylantragstellung inhaftiert würden. In den vorliegenden Fällen sei aber die Sicherung einer möglichen Abschiebung für die Inhaftierung ausschlaggebend gewesen, weshalb es auch zulässig gewesen sei, die Inhaftierung bis zum Abschluss des Asylverfahrens aufrechtzuerhalten. UNHCR hatte demgegenüber in einer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Abschiebung sowohl nach Völkerrecht als auch nach ungarischem Recht unzulässig sei, solange das Asylverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen sei.

In beiden jetzt veröffentlichten Urteilen wird auf die Entscheidung Lokpo und Touré gg. Ungarn (10816/10) vom 20. September 2011 zurückgegriffen. In dieser Entscheidung hatte das Gericht festgestellt, dass die Untätigkeit der Behörden für die Inhaftierung ausschlaggebend gewesen sei: Die Behörden hätten demnach von sich aus die Haftentlassung des Betroffenen veranlassen müssen, weil eine Abschiebung in absehbarer Zeit nicht möglich gewesen sei. Eine Inhaftierung, die nur auf das Schweigen der Behörden zurückzuführen sei, sei als willkürlich zu bewerten und stelle einen Verstoß gegen Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention dar. In den jetzt entschiedenen Fällen sah der EGMR dieselben Voraussetzungen als erfüllt sein.

Die Urteile sind in englischer Sprache in der Datenbank des EGMR abrufbar: