Keine Flüchtlingsanerkennung wegen illegaler Ausreise aus Syrien oder wegen Wehrdienstentziehung:
1. Einer aus Syrien stammenden Person droht bei einer (hypothetischen) Rückkehr nach Syrien nicht schon wegen ihrer illegalen Ausreise, der Asylantragstellung und eines längeren Aufenthalts im westlichen Ausland eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG aufgrund einer unterstellten oppositionellen Gesinnung.
2. Syrischen Männern, die bei ihrer (illegalen) Ausreise aus ihrem Heimatland das 42. Lebensjahr bereits überschritten hatten, droht keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen einer ihnen vor dem Hintergrund der Militärdienstentziehung unterstellten oppositionellen Gesinnung.
3. Auch einem ehemaligen Lehrer als Staatsbediensteten droht wegen der Wehrdienstentziehung keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung.
4. Keine Flüchtlingsanerkennung wegen unterstellter opositioneller Gesinnung aufgrund der Herkunft aus einem ehemals vom IS kontrollierten Gebiet Syriens.
5. Keine Flüchtlingsanerkennung wegen unterstellter oppositioneller Gesinnung aufgrund sunnitischer Glaubenszugehörigkeit.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Bei einer (hypothetischen) Rückkehr nach Syrien droht dem Kläger mit so verstandener beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungshandlung i. S. d. § 3a AsylG zumindest dergestalt, bereits bei der Einreise einer eingehenden Befragung unterzogen zu werden, mit der die konkrete Gefahr einer Verhaftung und / oder einer schwerwiegenden Misshandlung bis hin zur Folter und willkürlichen Tötung einhergeht. Es werden engmaschige Einreisekontrollen durchgeführt (vgl. nur Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Syrien: Rückkehr, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 21.03.2017, S. 7). Ob es im hypothetischen Fall einer Rückkehr seitens der Sicherheitskräfte zu Übergriffen käme, hinge unter anderem davon ab, ob der Kläger in den Augen der Grenzbeamten verdächtig erschiene, eine oppositionelle Gesinnung zu hegen. Allerdings kommt es auch zu völlig willkürlichen Übergriffen bis hin zu Verhaftungen aufgrund von persönlich motivierten Denunziationen (Amnesty International, "It breaks the human", 18.08.2016, S. 16) oder aus Profitgier, weil die Möglichkeit besteht, sich freizukaufen (SFH, 21.03.2017, S. 10). Mangels Referenzfällen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 – 1 A 10922/16 – juris, Rn. 43; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 21.02.2017 – 14 A 2316/16.A – juris, Rn. 50) ist eine mathematische Wahrscheinlichkeit für die Realisierung der allgemeinen und jedem Rückkehrer drohenden Gefahr, Opfer der syrischen Sicherheitskräfte bei Einreise zu werden (vgl. zu dieser Gefahr auch HessVGH, Urt. v. 06.06.2017 – 3 A 3040/16.A – juris, Rn. 72), nicht zu ermitteln. Im Rahmen der wertenden Gesamtschau genügt allerdings angesichts der Schwere der möglicherweise drohenden Rechtsgutverletzungen die aus den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln abzuleitende, durchaus bestehende Möglichkeit, dass der Kläger bei seiner Rückkehr nicht nur befragt, sondern verhaftet und (schwer) misshandelt würde.
Dabei folgt der Senat nicht dem Ansatz des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, wonach für den Prognosemaßstab der hypothetischen Rückkehr von einem Szenario auszugehen sei, in dem nahezu alle subsidiär schutzberechtigten Syrer im Zuge einer Rückkehrwelle zurückkehrten (so NdsOVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 – juris, Rn. 44). Die zeitgleiche Rückführung einer großen Zahl syrischer Staatsangehöriger hält der Senat nicht für eine lebensnahe Annahme. Zum einen wäre in jedem Verfahren über die Rückkehr gesondert zu entscheiden und damit die Entscheidung in weiteren Fällen nicht zu prognostizieren. Zum anderen würde zeitlich versetzt über die Rückkehr in den Einzelfällen entschieden, so dass die Annahme einer zeitgleichen Rückkehr einer Vielzahl subsidiär schutzberechtigter Syrer auch deshalb nicht überzeugt.
b. Es fehlt im Fall des Klägers jedoch an der nach § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i. V. m. § 3b Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen. Ob die nach § 3a Abs. 3 AsylG erforderliche Verknüpfung zwischen den Verfolgungsgründen einerseits und den erlittenen oder bevorstehenden Rechtsgutsverletzungen bzw. dem fehlenden Schutz vor solchen Handlungen andererseits besteht, ist im Sinne einer objektiven Gerichtetheit festzustellen (BVerwG, Urt. v. 19.01.2009 – 10 C 52.07 – BVerwGE 133, 55, juris, Rn. 24). Die Verknüpfung ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 – 10 C 11.08 – juris, Rn. 13). Kann die Anknüpfung der Verfolgung an einen solchen Verfolgungsgrund nicht dargelegt werden, besteht nach Maßgabe der entsprechenden Voraussetzungen lediglich Anspruch auf subsidiären Schutz (§ 4 Abs. 1 AsylG). Es ist daher entscheidend, ob dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung gerade wegen eines in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3b Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgrundes droht. Das ist nicht der Fall. Eine mögliche Verfolgungshandlung ist mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit weder auf eine dem Kläger wegen seiner Ausreise, seines Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung zugeschriebene politische Überzeugung (aa.) noch auf eine dem Kläger wegen einer möglichen, durch die Ausreise erfolgten Wehrdienstentziehung zugeschriebene politische Überzeugung (bb.) zurückzuführen. Die erforderliche Verknüpfung zwischen Verfolgungsgrund und Verfolgungshandlung ergibt sich ebenso wenig aus der Zugehörigkeit des Klägers zur Gruppe der Staatsbediensteten (cc.), seiner Herkunft aus Deir ez-Zor (dd.), aus der Zugehörigkeit des Klägers zur Religionsgruppe der Sunniten (ee.) oder einer Kombination aller Merkmale (ff.). Auch führt die vom IS erzwungene Unterzeichnung einer Art Unterwerfungserklärung nicht zu der Annahme, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine oppositionelle Haltung zugeschrieben wird und ihm aufgrund dessen Verfolgung droht (gg.). Dem Kläger ist die Flüchtlingseigenschaft schließlich auch nicht im Hinblick auf eine ihm ggf. drohende Zwangsrekrutierung (hh.) oder auf eine Verfolgungshandlung nach § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG zuzuerkennen (ii.).
aa. Dem Kläger droht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Ausreise aus Syrien, seines Aufenthalts im Ausland sowie seiner Asylantragstellung in der Bundesrepublik Verfolgung wegen einer ihm seitens des syrischen Regimes zugeschriebenen politischen Überzeugung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3b Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 AsylG. Den Erkenntnismitteln lässt sich nicht entnehmen, dass das syrische Regime auch noch nach Ausbruch des Bürgerkriegs erfolglosen Asylantragstellern eine oppositionelle Gesinnung zuschriebe.
Aufgrund der Komplexität des Konfliktes und der Beteiligung zahlreicher Konfliktparteien ist die Situation in Syrien unübersichtlich und ständigen Veränderungen unterworfen. Detaillierte Informationen über die aktuelle Lage sind daher schwierig zu erlangen (Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, Syria – Recruitment Practices in Government-controlled Areas and in Areas under Opposition Control, Involvement of Public Servants and Civilians in the Armed Conflict and Issues Related to Exiting Syria, August 2017, S. 5; vgl. auch NdsOVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 – juris, Rn. 38: "unklare Auskunftslage"). Seit Beginn des Krieges gibt es allenfalls "anekdotenhafte" Berichte über Rückkehrer (Immigration and Refugee Board of Canada (IRB Canada), Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014-December 2015), 19.01.2016, S. 4; vgl. auch SFH, 21.03.2017, S. 9 und Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 27: Kaum Informationen zur Behandlung von abgewiesenen Asylsuchenden bei Rückkehr). Entsprechend weit gehen die verfügbaren Einschätzungen auseinander. Laut dem Direktor des Syria Justice and Accountability Center würden Asylsuchende bei einer Rückkehr definitiv festgenommen und inhaftiert. Sie würden als Oppositionelle behandelt und gefoltert (IRB Canada, 19.01.2016, S. 5; die gleiche Einschätzung zitierend SFH, 21.03.2017, S. 9; vgl. auch U.S. Department of State, Syria 2016 Human Rights Report, 03.03.2017, S. 39). Eine vom IRB Canada zitierte emeritierte Professorin "vermutet" Festnahme, Inhaftierung und Folter (IRB Canada, 19.01.2016, S. 5; die gleiche Einschätzung zitierend SFH, 21.03.2017, S. 9). Dieselbe Quelle sagte allerdings auch aus, "alle" Personen seien einem Misshandlungsrisiko durch Grenzbehörden ausgesetzt (UNHCR, Relevante Herkunftsinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien, Februar 2017, S. 6, Fn. 32). Diese Aussagen sind allerdings derart pauschal und unsubstantiiert, dass sie kaum als Grundlage für eine Gefahrenprognose dienen können (vgl. hierzu auch NdsOVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 – juris, Rn. 53; BayVGH, Urt. v. 21.03.2017 – 21 B 16.31011 – juris, Rn. 62).
Ebenfalls vorhandene Berichte über Einzelfälle betreffen spezielle Personengruppen, denen der Kläger nicht vergleichbar ist. Betroffen waren namentlich ein Journalist, ein Leiter einer NGO, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sowie ein früherer syrischer Grenzsoldat, der sich in die Türkei abgesetzt hatte (vgl. IRB Canada, 19.01.2016, S. 3). Des Weiteren soll ein syrischer Mann, der in Australien ohne Erfolg Asyl beantragt hatte, bei seiner Rückkehr im August 2015 von syrischen Regierungsbeamten am Flughafen Damaskus "ausgesondert" worden sein, "weil er von Al-Harra in der Provinz Daraa stammte". Den Berichten zufolge beschuldigten ihn syrische Beamte, ein "Finanzier der Revolution" zu sein, als sie Bargeld bei ihm fanden, das ihm von der australischen Regierung für seine Rückkehr gegeben worden war; er sei 20 Tage lang festgehalten und wiederholt geschlagen worden. Das IRB Canada verweist des Weiteren auf eine Stellungnahme von Human Rights Watch vom November 2013. Danach sollen laut dem UNHCR etwa 35 Palästinenser aus Syrien, die während des syrischen Konflikts nach Ägypten geflohen waren, nach Syrien zurückgeschickt worden sein; einige seien bei Ankunft am Flughafen festgenommen worden (IRB Canada, 19.01.2016, S. 6; auch SFH, 21.03.2017, S. 9). Auch diese Konstellationen sind mit der vorliegenden nicht vergleichbar und sprechen eher dafür, dass die syrischen Sicherheitsbehörden zuweilen willkürlich vorgehen, so dass es in diesen Fällen an der Gerichtetheit der Maßnahme und der erforderlichen Verknüpfung fehlt, aber auch gezielt Personen aussondern, bei denen jedoch immer zusätzlich zur Rückkehrsituation weitere Verdachtsmomente vorliegen. Jedenfalls lassen diese Informationen nicht den hinreichend verlässlichen Schluss zu, dass grundsätzlich zurückkehrende Asylbewerber generell gerade in dieser Eigenschaft und ohne zusätzliche signifikante gefahrerhöhende Merkmale oder Umstände als vermeintliche Oppositionelle vom syrischen Staat mit flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungshandlungen überzogen werden (vgl. ebenso VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.08.2017 – A 11 S 710/17 – juris, Rn. 46).
Dies gilt umso mehr, als mehrere Auskünfte übereinstimmend darauf verweisen, dass eine Systematik derzeit nicht erkennbar sei, die Behandlung von Rückkehrern sich vielmehr willkürlich gestalte (vgl. u. a. Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 17). Sicherheitsbeamte hätten einen Freibrief und könnten im Falle eines Verdachts jeden verhaften. Das System sei sehr unberechenbar. Ein Rückkehrer könne auch ohne triftigen Grund misshandelt werden, wenn ein Sicherheitsbeamter eine Abneigung gegen diesen empfinde (IRB Canada, 19.01.2016, S. 2). Ähnlich meint ein auf Syrien spezialisierter Gastwissenschaftler am King’s College (London), der in Asylfällen im Vereinigten Königreich als Sachverständiger aussagt, ein abgelehnter Asylbewerber könne wegen der Beantragung von Asyl festgenommen werden, dies sei aber nicht automatisch der Fall. Nichts sei vorhersagbar (IRB Canada, 19.01.2016, S. 5, Einschätzung vom 15.12.2015). Das Risiko nach längerem Aufenthalt im Ausland sei mangels belastbarer Zahlen kaum zu beurteilen. Im August 2015 seien jedenfalls mehrere tausend Personen über die syrisch-jordanische Grenze zurückgekehrt. Es gebe zum Teil aber auch Berichte über Befragungen oder gar einen allgemeinen Verdacht gegenüber Rückkehrern (Deutsche Orient-Stiftung / Deutsches Orient-Institut, Auskunft vom 01.02.2017, S. 1). Hingegen lägen – so das Auswärtige Amt – keine dahingehenden Erkenntnisse vor, dass Rückkehrer allein aufgrund eines vorausgegangenen Auslandsaufenthaltes und Asylantragstellung Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt seien (AA an VG Wiesbaden, 02.01.2017 und AA an VG Düsseldorf, 02.01.2017; vgl. auch AA an OVG Schleswig-Holstein, 07.11.2016). Das Auswärtige Amt gibt an, nicht einmal Kenntnis von systematischen Befragungen Zurückkehrender zu haben (AA an OVG Schleswig-Holstein, 07.11.2016). Zwar seien Berichte über Befragungen vorhanden, es gebe jedoch keine Kenntnisse von Übergriffen in diesem Zusammenhang. Die syrischen Sicherheitsdienste agierten allerdings de facto im rechtsfreien Raum (AA an VG Düsseldorf, 02.01.2017, S. 2, 3). Personen, die mit keiner oppositionellen Gruppe in Verbindung gebracht würden, drohe bei unterstellter Rückkehr keine Verfolgung. Es seien Fälle bekannt, in denen syrische Flüchtlinge nach Anerkennung in Deutschland für mehrere Monate nach Syrien zurückgekehrt seien (AA an VG Düsseldorf, 02.01.2017, S. 5). Einer Auskunft der Deutschen Botschaft in Beirut zufolge gebe es keine Erkenntnisse über Sanktionen ausschließlich aufgrund des vorausgegangenen Auslandsaufenthaltes. Fälle, in denen Rückkehrer befragt, inhaftiert oder dauerhaft verschwunden seien, stünden in Zusammenhang mit oppositionsnahen Aktivitäten oder einem nicht abgeleisteten Militärdienst (Botschaft Beirut, 03.02.2016, S. 1). Auch wenn die Ausreise ohne die erforderlichen Dokumente im Prinzip illegal sei, werde in der Praxis angesichts der großen Zahl illegal ausgereister Syrer niemand allein deswegen bestraft (Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 27, 28).
Bei dieser Erkenntnislage kann eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung allein wegen illegaler Ausreise, eines längeren Auslandsaufenthalts und der Stellung eines Asylantrags aufgrund einer Art Generalverdacht, der Opposition anzugehören, nicht festgestellt werden (vgl. ebenso die – soweit ersichtlich – bisher ergangene, übereinstimmende obergerichtliche Rechtsprechung: OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23.11.2016 – 3 LB 17/16 – juris, Rn. 38, 40; BayVGH, Urt. v. 12.12.2016 – 21 BB 16.30372 – juris, Rn. 22, Urt. v. 21.03.2017 – 21 B 16.31013 – juris, Rn. 19 und Urt. v. 21.03.2017 – 21 B 16.31013 – juris, Rn. 62 und 67 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 – 1 A 10922/16.OVG – juris, S. 15 ff.; OVG Saarland, Urt. v. 02.02.2017 – 2 A 515/16 – juris, Rn. 23, 30 und Urt. v. 17.10.2017 – 2 A 365/17 – juris, Rn. 22; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 21.02.2017 – 14 A 2316/16.A – juris, Rn. 49; NdsOVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 – juris, Rn. 43; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.08.2017 – A 11 S 710/17 – juris, Rn. 38 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22.11.2017 – OVG 3 B 12.17 – juris, Rn. 20; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 29.03.2017 – 3 L 249/16 – juris, Rn. 9 ff.; diese Frage ausdrücklich offen lassend nur HessVGH, Urt. v. 06.06.2017 – 3 A 3040/16.A – juris, Rn. 48).
Dagegen spricht auch, dass nach Schätzungen jedes Jahr Hunderttausende von Flüchtlingen nach Syrien reisen; meistens um nach ihrem Hab und Gut zu schauen, Dokumente einzuholen oder zu erneuern oder um Familienmitgliedern und Freunden lebenswichtige Hilfe zu geben, bevor sie wieder in benachbarte Länder einreisen (vgl. IRB Canada, 19.01.2016, S. 1 unter Verweis auf den Norwegischen Flüchtlingsrat und das Internationale Rettungskomitee). Eine solch umfangreiche Reisetätigkeit zeigt, dass jedenfalls die in den benachbarten Ländern lebenden syrischen Flüchtlinge trotz des (extrem) repressiven Charakters des syrischen Staates davon ausgehen, im Rahmen der auch an den übrigen Grenzübergängen zu Syrien strengen Grenzkontrollen (vgl. dazu IRB Canada, 19.01.2016, S. 2 f.) keiner besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein (vgl. ebenso VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.08.2017 – A 11 S 710/17 – juris, Rn. 44, 46; BayVGH, Urt. v. 21.03.2017 – 21 B 16.31011 – juris, Rn. 67).
Gegen die Annahme, das syrische Regime betrachte jedenfalls Syrer, die im westlichen Ausland einen Asylantrag gestellt haben, als regierungsfeindlich, spricht, dass zwischen April 2011 und Juli 2017 über 970.000 syrische Staatsangehörige Asyl in Europa beantragt haben (UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic Update V, November 2017, S. 24). Dass es sich hierbei mehrheitlich nicht um Oppositionelle handelt, sondern vorwiegend um Bürgerkriegsflüchtlinge, dürfte auch den syrischen Behörden bekannt sein (vgl. ebenso NdsOVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 – juris, Rn. 44, 52, 59; OVG Saarland, Urt. v. 02.02.2017 – 2 A 515/16 – juris, Rn. 22; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 21.02.2017 – 14 A 2316/16.A – juris, Rn. 60; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 – 1 A 10922/16.OVG – juris, Rn. 167).
Beim Kläger kommt hinzu, dass er seine Heimatstadt Deir ez-Zor verlassen hat, nachdem sie vom IS eingenommen worden war. Die dort Verbliebenen müsste der syrische Staat dementsprechend eher als politische Gegner einordnen als diejenigen, die von dort geflohen sind. Auch im Hinblick darauf kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, illegale Ausreise, Asylantragstellung und längerer Auslandsaufenthalt würden für sich genommen als Anzeichen für eine politische Gegnerschaft zum syrischen Regime verstanden werden, so dass diese Umstände nicht die begründete Furcht rechtfertigen, dass syrische staatliche Stellen den Kläger bei einer Rückkehr als Oppositionellen betrachten und ihn deshalb wegen einer ihm unterstellten politischen Überzeugung verfolgen.
bb. Dem Kläger droht auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit deshalb Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3b Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 AsylG, weil er sich aus Sicht des syrischen Regimes mit dem Verlassen des Landes der Militärdienstpflicht entzogen hätte und das Regime ihm aufgrund dessen eine oppositionelle politische Haltung zuschriebe. Zwar kann in einer Ausreise trotz bestehender Militärdienstpflicht ein zusätzliches, gefahrerhöhendes Moment im oben genannten Sinne liegen, mit der möglichen Folge, dass syrischen Männern, die sich auf diese Weise dem Militärdienst entzogen haben, im Hinblick darauf Verfolgung wegen der ihnen seitens des syrischen Regimes zugeschriebenen politischen Überzeugung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3b Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 AsylG droht. Hierüber hat der Senat noch nicht entschieden. Beim Kläger besteht dieser Zusammenhang jedoch bereits deshalb nicht, weil er schon bei seiner Ausreise aus Syrien das Reservistenalter überschritten hatte.
In Syrien besteht eine allgemeine Wehrpflicht. Die Einberufung erfolgt im Alter von 18 Jahren (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Fact Finding Mission Report Syrien, August 2017, S. 18; AA an VG Düsseldorf, 02.01.2017, S. 3). Nach Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes Reservist und kann bis zum Ende des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden (BFA, August 2017, S. 22; AA an VG Düsseldorf, 02.01.2017, S. 3).
Aus den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln ergibt sich außerdem, dass die Wehrpflicht – notfalls gewaltsam – durchgesetzt wird (AA an VG Düsseldorf, 02.01.2017, S. 3). Die Anstrengungen, Wehrpflichtige einzuziehen und Reservisten zu mobilisieren, seien erhöht sowie die Suche nach Wehrdienstentziehern intensiviert worden, unter anderem an Kontrollstellen und in öffentlichen Verkehrsmitteln (UNHCR, November 2017, S. 40). Ein Grund für solche Maßnahmen liege darin, dass nur wenige Männer auf die Einberufung reagiert und sich zum Militärdienst gemeldet hätten (Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 8).
Im Herbst 2014 habe das Regime verschiedene Maßnahmen erlassen, um die Ausreise wehrdienstpflichtiger Männer zu verhindern. Von Männern im Alter zwischen 18 und 42 Jahren hätten die syrischen Behörden schon seit Beginn des Krieges bei der Ausreise eine offizielle Beglaubigung des Militärs verlangt, dass sie vom Dienst freigestellt sind (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015, S. 4; DOS/DOI, 01.02.2017, AA an VG Düsseldorf, 02.01.2017; SFH, Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentzug, Desertion, 23.03.2017, S. 13). Männer, die ihren Wehrdienst bereits abgeleistet hätten, könnten eine Ausreisegenehmigung einfacher bekommen (BFA, August 2017, S. 24). Seit Oktober 2014 sei zwischen 1985 und 1991 geborenen Männern die Ausreise untersagt (SFH, 28.03.2015, S. 4).
Auch nach dem Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 in der im Januar 2017 geänderten Fassung benötigten (nur) Männer zwischen 18 und 42 Jahren für eine legale Ausreise eine Genehmigung des Rekrutierungsamtes. Die Ausreise ohne die erforderliche Genehmigung bzw. über einen nicht genehmigten Ausreisepunkt sei strafbar. Einschätzungen des UNHCR zufolge sei es jedoch unklar, ob das Gesetz tatsächlich angewandt werde und Rückkehrer entsprechend Strafverfolgung ausgesetzt seien, da die Gesetzesumsetzung in Syrien willkürlich und nicht vorhersehbar sei (UNHCR, Februar 2017, S. 3, 4). Den Grenzstellen lägen Listen von Wehrdienstpflichtigen und Wehrdienstentziehern vor. Es sei allerdings möglich, mittels Schmiergeldzahlungen das Land trotzdem offiziell zu verlassen (UNHCR, Februar 2017, S. 5).
Grundsätzlich respektiere die syrische Regierung nach wie vor die gesetzlich vorgesehenen Altersgrenzen für die Wehrpflicht bzw. die Reservisteneigenschaft (vgl. UNHCR, November 2017, S. 41, wonach in von Regierungstruppen zurückeroberten Gebieten Männer im Wehrpflichtigen- bzw. Reservistenalter festgenommen worden seien, um sie dem Militär zuzuführen). Nach einer Wiedereinreise würden Männer über 18 Jahre zum Wehrdienst eingezogen. Männer bis 42 Jahre würden seit 2011 zum Teil erneut eingezogen, auch wenn der Wehrdienst bereits abgeleistet worden sei. Dementsprechend sei die Bewegungsfreiheit von Männern im gesetzlich vorgesehenen Wehrpflichtigen- bzw. Reservistenalter eingeschränkt und meide diese Personengruppe Kontrollstellen, um der Zwangsrekrutierung zu entgehen (UNHCR, November 2017, S. 41 f.). Zuweilen allerdings würden nach einigen Auskünften etwa an Checkpoints oder an öffentlichen Plätzen alle wehrpflichtigen Männer "eingesammelt" und rekrutiert, wobei die Altersgrenze missachtet werde (BFA, August 2017, S. 18; vgl. auch UNHCR, Februar 2017, S. 24: Verhaftung und Einziehung zum Reservedienst seien auch ohne Einberufung möglich). Umgekehrt werde nicht jeder Syrer über 18 "automatisch" an den Kontrollstellen verhaftet (UNHCR, Februar 2017, S. 25).
Nach einer Auskunft würden "verschiedenen Quellen" zufolge Männer bis zum 54. Lebensjahr eingezogen (SFH an VG Wiesbaden, 17.01.2017). Details bzw. Präzisierungen lässt diese Auskunft vermissen. Einer weiteren Auskunft zufolge könnten Männer zwischen 18 und 42 Jahren zum Wehrdienst einberufen werden, in Ausnahmefällen bis zum 52. Lebensjahr (Botschaft Beirut, 03.02.2016, S. 2). Dem Auswärtigen Amt liegen Berichte vor, wonach die Wehrpflicht in der Praxis bis zum 50. Lebensjahr ausgeweitet werde (AA an VG Düsseldorf, 02.01.2017, S. 3). Manchen Einschätzungen zufolge laufe jeder bis zum Alter von 50 Jahren Gefahr, (erneut) zum Militärdienst herangezogen zu werden (Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 12, 108; vgl. demgegenüber SFH, 21.03.2017, S. 8: bis 45 Jahre). Anderen Berichten zufolge werde die Altersgrenze dann erhöht, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen habe. Das gelte für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung (BFA, August 2017, S. 22; UNHCR, Februar 2017, S. 24, 25). Es gebe Beispiele dafür, dass derzeit 45 Jahre alte Männer Reservedienst leisteten (UNHCR, Februar 2017, S. 25). Vereinzelt werden demgegenüber Berichte über die Einziehung jenseits der Altersgrenze von 42 Jahren als "Gerüchte" bezeichnet (vgl. die in Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 40 zitierte Quelle).
Mehrere Quellen gehen davon aus, dass die syrische Armee selbst Reservisten nur dann zum Militärdienst heranziehe, wenn sie über eine für die Armee wertvolle militärische Ausbildung oder besondere Kenntnisse verfügten (vgl. Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 10, unter Verweis auf verschiedene Berichte; vgl. auch SFH, 23.03.2017, S. 5). Manche Personen würden zum Reservedienst einberufen, andere wiederum nicht; ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen werde, sei sehr schwierig zu sagen (BFA, August 2017, S. 22, 23). Den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung zufolge würden Männer bis zum Alter von 52 Jahren zum Militärdienst herangezogen. Unklar bleibt danach, ob bis zu einer gewissen – verschobenen – Altersgrenze jeder männliche Syrer eingezogen werden kann oder ob ab einem bestimmten Alter nur noch Experten zum Militärdienst herangezogen werden. Die Rekrutierungspraxis soll jedenfalls zunehmend willkürlich sein, da die lokalen Behörden unterschiedlich agierten (Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 10, 12).
Nach der gesetzlichen Regelung werden Wehrdienstverweigerer in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft; die Wehrpflicht besteht dabei weiter fort. In Kriegszeiten erhöht sich die Strafe auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten (vgl. BFA, August 2017, S. 20; UNHCR, Februar 2017, S. 20; AA an VG Düsseldorf, 02.01.2017, S. 4). Wer das Land verlässt, ohne eine Adresse zu hinterlassen und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft (AA an VG Düsseldorf, 02.01.2017, S. 4).
Aus den Erkenntnismitteln ergibt sich, dass die Regierung Wehrdienstentziehung vordergründig als kriminelles Unrecht behandelt, tatsächlich jedoch wegen des anhaltenden Personalbedarfs wenig Interesse an der Anwendung der Strafvorschriften zeigt. Bevorzugt würden Wehrdienstentzieher zeitnah zum Militärdienst eingezogen anstatt sie längerfristig zu inhaftieren. Dies gelte sogar für Personen aus zuvor von der Opposition kontrollierten Gebieten (UNHCR, November 2017, S. 39). Nach Einschätzung des UNHCR betrachtet die Regierung Wehrdienstentziehung nicht nur als Straftat, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens, insbesondere wenn das Land ohne Genehmigung verlassen worden ist. Infolge dessen wird es vom UNHCR für möglich gehalten, dass Wehrdienstentziehern Folter während ihrer Inhaftierung oder Misshandlung durch Vorgesetzte während der Ableistung ihres Militärdienstes drohen (UNHCR, November 2017, S. 40, 41). Bei der Frage der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung ist die Quellenlage insgesamt uneinheitlich: Während einige Quellen Folter und Todesurteil als sicher ansehen, berichten andere, Verweigerer würden sofort eingezogen (BFA, August 2017, S. 20). Als Wehrdienstentziehung könne es auch betrachtet werden, wenn das Land noch vor Eintreffen des eigentlichen Erfassungs- oder Einberufungsbefehls verlassen werde (UNHCR, Februar 2017, S. 24). Auch ein Wehrdienstentzug durch illegale Ausreise noch nicht einberufener Wehrpflichtiger könne mit Geldbuße oder Gefängnis bestraft werden (AA an VG Düsseldorf, 02.01.2017, S. 5).
Bei aus dem Ausland zurückkehrenden Syrern werde die Ableistung des Militärdienstes kontrolliert (UNHCR, November 2017, S. 42; IRB Canada, 19.01.2016, S. 6, 8; SFH, 21.03.2017, S. 7, 8). Männer im wehrfähigen Alter seien besonders gefährdet, von Sicherheitskräften misshandelt zu werden, insbesondere wenn sie noch nie gedient hätten (IRB Canada, 19.01.2016, S. 6, 8). Informationen über Rückkehrer seien seit dem Ausbruch des Krieges 2011 jedoch sehr limitiert (SFH, 21.03.2017, S. 6). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe betont, die Grenzbeamten hätten freie Hand. Werde jemand verdächtigt, sei alles möglich (Verhaftung, Folter, Verschwinden). Misshandlungen ohne triftigen Grund seien möglich. Das System der Grenzbeamten sei willkürlich und kaum einschätzbar (SFH, 21.03.2017, S. 8; Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 27).
Dieser Auskunftslage entnehmen der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Urt. v. 02.05.2017 – A 11 S 562/17 – juris, Rn. 36), der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Urt. v. 12.12.2016 – 21 B 16.30372 – juris, Rn. 25) sowie der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Urt. v. 06.06.2017 – 3 A 3040/16.A – juris, Rn. 58), dass syrische Männer, die im wehrpflichtigen Alter und bei tatsächlich bestehender Militärdienstpflicht entweder als Wehrpflichtiger oder als Reservist nach Ableistung des allgemeinen Wehrdienstes das Land entgegen den gesetzlichen Vorschriften ohne Genehmigung verlassen haben, als Wehrpflichtentzieher mit oppositioneller Gesinnung wahrgenommen werden und bei einer Wiedereinreise Gefahr laufen, Repressalien bis hin zur Folter ausgesetzt zu sein. Die gegenläufige Auffassung (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 – 1 A 10922/16.OVG – juris, Rn. 139 ff.; OVG Saarland, Urt. v. 02.02.2017 – 2 A 515/16 – juris, Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 04.05.2017 – 14 A 2023/16.A – juris, Rn. 70; NdsOVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 – juris, Rn. 72) verneint auf der Grundlage dieser Auskunftslage eine beachtlich wahrscheinliche Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und dem Verfolgungsgrund der unterstellten oppositionellen Gesinnung bei Wehrpflichtentziehung vor dem Hintergrund, dass auch den syrischen Behörden klar sein müsse, dass die generelle Furcht Wehrpflichtiger vor den Gefahren eines Kriegseinsatzes ein mächtiges, gänzlich unpolitisches Motiv für eine Flucht darstelle. Sie verweist zusätzlich auf die in Syrien seit Jahrzehnten herrschende Brutalität und Willkür, weshalb sich Misshandlungen bis hin zu Folter nicht ohne weiteres ein politisches Motiv entnehmen lasse (vgl. NdsOVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 – juris, Rn. 87 f.), sowie den erheblichen Personalbedarf des syrischen Militärs, der sowohl die Bemühungen, wehrdienstpflichtige Männer im Land zu halten, Reservisten einzuberufen und nach ungedienten Wehrpflichtigen zu fahnden erkläre, als auch das zur Abschreckung brutale Vorgehen gegen Wehrdienstverweigerer (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 04.05.2017 – 14 A 2023/16.A – juris, Rn. 78 bis 80). Auch die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg knüpft jedenfalls an den Status des noch im wehrpflichtigen Alter befindlichen Reservisten, also eine konkret und aktuell bestehende Militärdienstpflichtigkeit an, um eine Verfolgungsgefahr zu begründen, wenn ausgeführt wird, dass die Personengruppe der militärdienstpflichtigen Personen (Wehrpflichtige, Reservisten), die sich im Bürgerkrieg nicht den Regierungstruppen zur Verfügung gestellt haben, sondern durch Flucht ins Ausland ihren staatsbürgerlichen Aufgaben nicht nachgekommen sind, aus Sicht des syrischen Regimes als oppositionell eingestuft und dementsprechend bei einer Rückkehr beachtlich wahrscheinlich der weit verbreiteten Folterbehandlung unterzogen würden (vgl. BayVGH, Urt. v. 14.02.2017 – 21 B 16.31001 – juris, Rn. 89 sowie Urt. v. 12.12.2016 – 21 B 16.30372 – juris, Rn. 23, 25, 72, 82 und VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 02.05.2017 – A 11 S 562/17 – juris, Rn. 52 ff.). Dementsprechend hat auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bei Männern, die zwar im wehrpflichtigen Alter, jedoch vom Militärdienst freigestellt waren, einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verneint (BayVGH, Urteile v. 21.03.2017 – 21 B 16.31011: Freistellung wegen Militärdienstuntauglichkeit und 21 B 16.31013: Freistellung als einziger Sohn der Familie).
Beim Kläger fehlt es aufgrund seines Lebensalters an dieser tatsächlich bestehenden Militärdienstpflicht, weshalb auch aus Sicht der Sicherheitskräfte eine oppositionelle Gesinnung in seiner Ausreise mangels Militärdienstpflicht nicht zum Ausdruck kommt. Der Kläger war bei seiner Ausreise aus Syrien im Oktober 2015 schon 47 Jahre alt und daher nicht mehr im wehrpflichtigen Alter. In Syrien besteht – ungeachtet der Praxis, zunehmend auch ältere Männer zum Wehrdienst heranzuziehen – nach dem Gesetz unverändert eine Wehrdienstpflicht für alle männlichen Syrer nur bis zum Alter von 42 Jahren, so dass der Kläger damals auch keine Ausreisegenehmigung mehr benötigte (vgl. ebenso OVG Saarland, Urt. v. 17.10.2017 – 2 A 365/17 – juris, Rn. 25). Der Kläger war, da er bereits bei Verlassen des Landes das wehrpflichtige Alter überschritten hatte, auch aus Sicht der syrischen Sicherheitskräfte nicht verpflichtet, sich für einen möglichen Militär- und Kriegseinsatz zur Verfügung zu halten, so dass bei seiner Rückkehr im Rahmen der obligatorischen Einreisekontrollen am Flughafen Damaskus oder einer anderen staatlichen Kontrollstelle die syrischen Sicherheitskräfte keinen Anlass haben, dem Kläger eine oppositionelle Gesinnung wegen seiner Flucht ins Ausland zu unterstellen (vgl. BayVGH, Urt. v. 21.03.2017 – 21 B 16.31013 – juris, Rn. 87 und Urt. v. 21.03.2017 – 21 B 16.31011 – juris, Rn. 81). Auch hat der Kläger weder bei seiner Anhörung beim Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen, dass das syrische Militär Interesse speziell an seiner Person gezeigt hätte oder haben könnte und ihn deshalb eine besondere Verpflichtung hätte treffen können, sich für einen Militäreinsatz zur Verfügung zu halten. Angesichts seiner vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geschilderten militärischen Ausbildung während des Wehrdienstes, die zu keiner besonderen Qualifizierung führte, ist ein gesteigertes Interesse des syrischen Militärs gerade an der Person des Klägers auch nicht ersichtlich.
cc. Etwas anderes ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund, dass der Kläger als Lehrer im Dienst des syrischen Staates stand. Zwar wird von Staatsbediensteten erwartet, dass sie dem Staat auch im Hinblick auf den Militärdienst zur Verfügung stehen. Laut Gesetzesdekret Nr. 33 von 2014 wird das Dienstverhältnis von Staatsbediensteten beendet, wenn sie sich der Einberufung zum Wehr- oder Reservedienst entziehen (BFA, August 2017, S. 23; Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 19). In diesem Fall würden sie – ebenso wie Wehrdienstentzieher – zudem als oppositionell wahrgenommen (Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 19 unter Bezugnahme auf den UNHCR). Der Kläger hat sich keiner Einberufung entzogen. Insofern drohen ihm durch die gesetzliche Regelung, die ohnehin nur die Beendigung des Dienstverhältnisses vorsieht, keine Konsequenzen. [...]
dd. Eine dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung wegen einer ihm seitens des syrischen Regimes zugeschriebenen politischen Überzeugung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3b Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 AsylG) ergibt sich auch nicht aus seiner Herkunft aus Deir-ez-Zor. [...]
ee. Es ist ebenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgruppe der Sunniten seitens des syrischen Regimes eine politische Überzeugung zugeschrieben würde und ihm deshalb Verfolgung drohte (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3b Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 AsylG). [...]