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EuGH

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Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 25.01.2018 - C-360/16 Deutschland gg. Hasan - Asylmagazin 4/2018, S. 133 ff. - asyl.net: M25901
https://www.asyl.net/rsdb/M25901
Leitsatz:

Zum weiteren Verfahren in Dublin-Fällen, wenn die betroffene Person nach Überstellung in den zuständigen Staat wieder in den überstellenden Staat zurückkehrt ist:

1. Der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung, welcher Mitgliedstaat in einem Rückkehrfall zuständig ist, ist nicht der Zeitpunkt der Überstellung, sondern der letzten mündlichen Verhandlung oder der gerichtlichen Entscheidung in schriftlichen Verfahren. Das Gericht muss auch Umstände, die nach der Überstellung noch eintreten berücksichtigen, um einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 27 Dublin-III-VO zu gewährleisten.

2. In einer solchen Situation ist ein erneutes Wiederaufnahmeverfahren durchzuführen. Wenn die betroffene Person nach ihrer Rückkehr aus dem ursprünglich zuständigen Staat im überstellenden Staat keinen erneuten Asylantrag stellt, ist das Verfahren für sogenannte Aufgriffsfälle nach Art. 24 Dublin-III-Verordnung anzuwenden.

3. Das Wiederaufnahmeverfahren muss obligatorisch unter Beachtung der in Art. 24 Abs. 2 Dublin-III-VO vorgesehenen zwingenden Fristen durchgeführt werden (unter Bezug auf EuGH, Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 Mengesteab gg. Deutschland - asyl.net: M25274, Asylmagazin 9/2017). Diese beginnen nicht zu laufen, bevor der ersuchende Staat von der Rückkehr der betroffenen Person in sein Hoheitsgebiet Kenntnis erlangt hat.

4. Wenn der ersuchende Staat, in dem sich die betroffene Person nach Rückkehr wieder aufhält, die Ersuchensfrist nach Art. 24 Abs. 2 Dublin-III-VO versäumt,

- wird der ersuchende Staat für ihr Asylverfahren zuständig, wenn sie nach Rückkehr erneut einen Asylantrag gestellt hat;

- kann das Wiederaufnahmeverfahren zeitlich unbegrenzt eingeleitet werden, wenn sie nach Rückkehr keinen erneuten Asylantrag stellt. Dies gilt unabhängig davon, ob gegen die erste Überstellungsentscheidung noch eine Klage anhängig ist oder nicht, da der Rechtsbehelf nicht einem erneuten Asylantrag gleichzustellen ist.

(Leitsätze der Redaktion; Entscheidung erging auf Vorlage des BVerwG, Beschluss vom 27.04.2016 - 1 C 22.15 - asyl.net: M23936, Asylmagazin 8/2016; siehe Anmerkung von Heiko Habbe in Asylmagazin 4/2018)

Schlagwörter: Dublinverfahren, Wiedereinreise, Wiederaufnahmeantrag, Hasan, subjektives Recht, Vorabentscheidungsersuchen, Aufnahmegesuch, Asylantrag, Dublin III-Verordnung, illegale Wiedereinreise, Aufnahmeersuchen, Wiederaufnahmegesuch, Überstellung, Zuständigkeit, Zuständigkeitsübergang, Vorabentscheidungsverfahren, wirksamer Rechtsbehelf, effektiver Rechtsschutz,
Normen: AEUV Art. 267, AsylG § 27a, AsylG § 34a, AsylG § 34a Abs. 1, AsylG § 34a Abs. 2, AsylG 3 77 Abs. 1, VO 604/2013 Art. 3, VO 604/2013 Art. 7 Abs. 1, VO 604/2013 Art. 7 Abs. 2, VO 604/2013 Art. 13 Abs. 1, VO 604/2013 Art. 18 Abs. 1, VO 604/2013 Art. 21, VO 604/2013 Art. 23, VO 604/2013 Art. 24, VO 604/2013 Art. 27 Abs. 3, VO 604/2013 Art. 27 Abs. 1, VO 604/2013 Art. 29, VO 604/2013 Art. 29 Abs. 1, VO 604/2013 Art. 29 Abs. 3, VO 604/2013 Art. 29 Abs. 2, VO 604/2013 Art. 49 Abs. 2 S. 1, VO 604/2013 Art. 29, VO 604/2013 Art. 49, RL 2008/115/EG Art. 6 Abs. 1, RL 2008/115/EG Art. 6 Abs. 2, RL 2013/32/EU Art. 2 Abs. 1, VO 604/2013 Art. 18,
Auszüge:

[...]

27 Zunächst ist festzustellen, dass nach den Angaben in der Vorlageentscheidung aufgrund der im Asylbereich anwendbaren nationalen Verfahrensregeln das mit einer Klage gegen eine Überstellungsentscheidung befasste Gericht grundsätzlich auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor diesem Gericht oder, wenn keine mündliche Verhandlung stattfindet, auf den Zeitpunkt abstellen muss, in dem das Gericht über die Klage entscheidet.

28 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit Buchst. a seiner ersten Frage wissen möchte, ob Art. 27 Abs. 1 der Dublin-III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die vorsehen, dass für die gerichtliche Überprüfung der Überstellungsentscheidung die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem angerufenen Gericht oder, wenn keine mündliche Verhandlung stattfindet, der Zeitpunkt maßgeblich ist, in dem das Gericht über die Klage entscheidet. [...]

32 Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die es einer Person, die internationalen Schutz beantragt, erlauben, sich im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die ihr gegenüber ergangene Überstellungsentscheidung auf Umstände zu berufen, die nach deren Erlass eingetreten sind, genügen dieser Verpflichtung, einen wirksamen und schnellen Rechtsbehelf vorzusehen (vgl. entsprechend Urteil vom 25. Oktober 2017, Shiri, C-201/16, EU:C:2017:805, Rn. 45).

33 In diesem Kontext kann Art. 27 Abs. 1 der Dublin-III-Verordnung nicht dahin ausgelegt werden, dass er solchen Rechtsvorschriften nur deshalb entgegensteht, weil diese das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung befasste Gericht dazu veranlassen können, in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umstände zu berücksichtigen, die nicht nur nach dem Erlass dieser Entscheidung eingetreten sind, sondern auch nach der auf ihr beruhenden Überstellung des Betroffenen. [...]

35 Gleichwohl ist der Vollzug der Überstellung, der eine bloße konkrete Umsetzung der Überstellungsentscheidung darstellt, nicht geeignet, als solcher endgültig die Zuständigkeit des Mitgliedstaats festzulegen, in den die betreffende Person überstellt wurde.

36 Erstens ist nämlich festzustellen, dass keine Bestimmung der Dublin-III-Verordnung dem Vollzug der Überstellung eine solche Wirkung verleiht oder vorsieht, dass ihr Vollzug für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats relevant wäre.

37 Zweitens geht aus Art. 29 Abs. 3 der Verordnung im Gegenteil eindeutig hervor, dass die betreffende Person von dem Mitgliedstaat, der die Überstellung vollzogen hat, wieder aufgenommen werden muss, wenn sie irrtümlich überstellt wurde oder die Überstellungsentscheidung nach Vollzug der Überstellung aufgehoben wird, was zwangsläufig bedeutet, dass die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, in den die Überstellung erfolgt ist, in bestimmten Fällen nach der Überstellung in Frage gestellt werden kann.

38 Drittens könnte eine gegenteilige Lösung dem Rechtsbehelf oder der Überprüfung, die in Art. 27 Abs. 1 der Verordnung vorgesehen sind, weitgehend ihre praktische Wirksamkeit nehmen und den gerichtlichen Rechtsschutz beeinträchtigen, der den betreffenden Personen zusteht, denn aus Art. 27 Abs. 3 der Verordnung geht hervor, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs oder die Stellung eines Antrags auf Überprüfung nicht zwangsläufig die Aussetzung der Überstellungsentscheidung nach sich zieht und daher dem Vollzug der Überstellung vor einer Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung durch ein Gericht nicht systematisch entgegensteht.

39 Viertens ist hervorzuheben, dass einige Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung dazu führen können, dass die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats aufgrund von Umständen in Frage gestellt wird, die nach einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat eingetreten sind. Dies ist insbesondere bei Art. 19 Abs. 2 der Verordnung der Fall, wenn die betreffende Person nach der Überstellung und vor der Stellung eines neuen Antrags auf internationalen Schutz in einem anderen Mitgliedstaat das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2016, Karim, C-155/15, EU:C:2016:410, Rn. 17).

40 Angesichts dessen ist auf Buchst. a der ersten Frage zu antworten, dass Art. 27 Abs. 1 der Dublin-III-Verordnung im Licht ihres 19. Erwägungsgrundes und von Art. 47 der Charta der Grundrechte dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegensteht, die vorsehen, dass für die gerichtliche Überprüfung der Überstellungsentscheidung die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem angerufenen Gericht oder, wenn keine mündliche Verhandlung stattfindet, der Zeitpunkt maßgeblich ist, in dem das Gericht über die Klage entscheidet. [...]

41 Mit Buchst. b seiner ersten Frage sowie seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 23 und 24 der Dublin-III-Verordnung dahin auszulegen sind, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ein Drittstaatsangehöriger, der nach der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in einem ersten Mitgliedstaat in diesen Mitgliedstaat überstellt wurde, nachdem ein neuer, bei einem zweiten Mitgliedstaat gestellter Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen worden war, und der dann ohne Aufenthaltstitel in das Hoheitsgebiet des zweiten Mitgliedstaats zurückgekehrt ist, Gegenstand eines Wiederaufnahmeverfahrens sein kann oder ob es möglich ist, ihn ohne Durchführung eines solchen Verfahrens erneut in den ersten Mitgliedstaat zu überstellen.

42 Der Anwendungsbereich des Wiederaufnahmeverfahrens ist in den Art. 23 und 24 der Dublin-III-Verordnung festgelegt (Beschluss vom 5. April 2017, Ahmed, C-36/17, EU:C:2017:273, Rn. 26). [...]

45 Somit fällt ein Drittstaatsangehöriger wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, nachdem er in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, dem der andere Mitgliedstaat noch nicht stattgegeben hat, in den Anwendungsbereich des in der Dublin-III-Verordnung vorgesehenen Wiederaufnahmeverfahrens.

46 In Bezug auf die Regeln, die bei der Durchführung dieses Verfahrens einzuhalten sind, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 23 der Verordnung die Sachverhalte regelt, in denen im ersuchenden Mitgliedstaat ein neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, während Art. 24 der Verordnung die Fälle betrifft, in denen in diesem Mitgliedstaat kein neuer Antrag gestellt wurde (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. April 2017, Ahmed, C-36/17, EU:C:2017:273, Rn. 26).

47 Daraus folgt, dass auf eine Person wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die, nachdem sie in einem Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, illegal in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zurückkehrt, ohne dort einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, das in Art. 24 der Dublin-III-Verordnung vorgesehene Verfahren angewandt werden kann.

48 Der Umstand, dass eine solche Person bei einem ersten Aufenthalt im Hoheitsgebiet des zweiten Mitgliedstaats bereits einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, der innerhalb des in Art. 26 Abs. 1 der Verordnung vorgesehenen Rahmens abgelehnt wurde, kann daran nichts ändern.

49 Da die Prüfung ihres Antrags in diesem Mitgliedstaat abgeschlossen ist, kann dieser Umstand nämlich nicht dazu führen, dass sie einer Person gleichgestellt wird, die einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der entweder gemäß Art. 26 Abs. 1 abgelehnt werden müsste, bevor eine Überstellung vorgenommen werden könnte, oder im Fall einer nicht fristgerechten Durchführung des Wiederaufnahmeverfahrens von dem Mitgliedstaat gemäß Art. 23 Abs. 3 der Verordnung geprüft werden müsste.

50 Desgleichen kann die Tatsache, dass vor dem zuständigen Gericht noch eine Klage gegen die Entscheidung anhängig ist, mit der ein bei einem ersten Aufenthalt im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats gestellter Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wurde, die Anwendung von Art. 24 der Dublin-III-Verordnung in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht ausschließen, da diese Entscheidung – mangels aufschiebender Wirkung der Klage – die mit ihr nach der Verordnung verbundenen Wirkungen entfaltet, so dass das im Anschluss an die Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eingeleitete Verwaltungsverfahren abgeschlossen ist. [...]

53 Da sich aus den Erwägungen in den Rn. 35 bis 39 des vorliegenden Urteils ergibt, dass der Vollzug der Überstellung als solcher nicht geeignet ist, die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, in den die betreffende Person überstellt wurde, endgültig festzulegen, kommt überdies eine erneute Überstellung erst in Betracht, wenn die Situation dieser Person überprüft wurde, um zu klären, ob die Zuständigkeit nicht nach ihrer Überstellung auf einen anderen Mitgliedstaat übergegangen ist.

54 Insoweit ist hervorzuheben, dass eine solche Überprüfung der Situation der betreffenden Person vorgenommen werden kann, ohne die Erreichung des Ziels einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz in Frage zu stellen, da bei der Überprüfung nur Änderungen berücksichtigt zu werden brauchen, die seit dem Erlass der ersten Überstellungsentscheidung eingetreten sind.

55 Folglich ist auf Buchst. b der ersten Frage sowie die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 24 der Dublin-III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der ein Drittstaatsangehöriger nach der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in einem ersten Mitgliedstaat in diesen Mitgliedstaat überstellt wurde, nachdem ein erneuter, bei einem zweiten Mitgliedstaat gestellter Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen worden war, und dann ohne Aufenthaltstitel in das Hoheitsgebiet des zweiten Mitgliedstaats zurückgekehrt ist, dieser Drittstaatsangehörige Gegenstand eines Wiederaufnahmeverfahrens sein kann und dass es nicht möglich ist, ihn ohne Durchführung eines solchen Verfahrens erneut in den ersten Mitgliedstaat zu überstellen. [...]

57 Mit Buchst. a seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 24 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der ein Drittstaatsangehöriger ohne Aufenthaltstitel in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zurückgekehrt ist, der ihn zuvor in einen anderen Mitgliedstaat überstellt hatte, das Wiederaufnahmegesuch innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Fristen an den anderen Mitgliedstaat gerichtet werden muss und, wenn ja, dass diese Fristen nicht zu laufen beginnen können, bevor der ersuchende Mitgliedstaat von der Rückkehr der betreffenden Person in sein Hoheitsgebiet Kenntnis erlangt hat. [...]

60 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Wiederaufnahmeverfahren obligatorisch im Einklang mit den u. a. in Kapitel VI der Dublin-III-Verordnung aufgestellten Regeln und insbesondere unter Beachtung einer Reihe zwingender Fristen durchgeführt werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Juli 2017, Mengesteab, C-670/16, EU:C:2017:587, Rn. 49 und 50).

61 Da der Unionsgesetzgeber in Art. 24 der Verordnung nicht zwischen Fällen, in denen das Wiederaufnahmeverfahren zum ersten Mal eingeleitet wird, und Fällen, in denen es erneut durchgeführt werden muss, nachdem die betreffende Person im Anschluss an eine Überstellung ohne Aufenthaltstitel in den ersuchenden Mitgliedstaat zurückgekehrt ist, unterscheidet, müssen die in diesem Artikel aufgestellten Fristen auch im letztgenannten Fall eingehalten werden. [...]

63 Zu diesem Zweck gewährleisten die Fristen, dass der ersuchende Mitgliedstaat das Wiederaufnahmeverfahren innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt einleitet, zu dem er über Informationen verfügt, die es ihm erlauben, ein Wiederaufnahmegesuch an einen anderen Mitgliedstaat zu richten, wobei die in diesem Rahmen anwendbare Frist je nach der Art dieser Informationen variieren kann.

64 Daraus folgt, dass diese Fristen logischerweise nicht zu einem Zeitpunkt zu laufen beginnen können, zu dem der ersuchende Mitgliedstaat nicht über Informationen verfügte, die es ihm erlaubten, das Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten.

65 Dies ist in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht nur dann der Fall, wenn der Mitgliedstaat keine Kenntnis von den Gesichtspunkten hat, die die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats begründen, sondern auch – in einem Kontext, in dem die Binnengrenzen grundsätzlich ohne Personenkontrollen an den Grenzen überschritten werden können – dann, wenn der Mitgliedstaat keine Kenntnis davon hat, dass sich die betreffende Person in seinem Hoheitsgebiet befindet. [...]

68 Unter diesen Umständen ist die in Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 der Dublin-III-Verordnung genannte Frist – die nur anwendbar ist, wenn ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich eine Person ohne Aufenthaltstitel aufhält, beschließt, das Eurodac-System abzufragen – einschlägig, wenn der ersuchende Mitgliedstaat beschlossen hat, im Rahmen des nach der Rückkehr der betreffenden Person in sein Hoheitsgebiet im Anschluss an eine erste Überstellung eingeleiteten Wiederaufnahmeverfahrens in dieser Weise vorzugehen, was zwangsläufig voraussetzt, dass er darüber informiert ist, dass sie sich in seinem Hoheitsgebiet befindet.

69 Hat der betreffende Mitgliedstaat nicht beschlossen, das Eurodac-System abzufragen, ist Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung anwendbar. In diesem Fall beginnt die darin genannte Frist erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der ersuchende Mitgliedstaat zum einen davon Kenntnis hat, dass sich die betreffende Person in seinem Hoheitsgebiet befindet, und zum anderen von Gesichtspunkten, die die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats begründen.

70 Nach alledem ist auf Buchst. a der fünften Frage zu antworten, dass Art. 24 Abs. 2 der Dublin -III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der ein Drittstaatsangehöriger ohne Aufenthaltstitel in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zurückgekehrt ist, der ihn zuvor in einen anderen Mitgliedstaat überstellt hatte, das Wiederaufnahmegesuch innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Fristen an den anderen Mitgliedstaat gerichtet werden muss und dass diese Fristen nicht zu laufen beginnen können, bevor der ersuchende Mitgliedstaat von der Rückkehr der betreffenden Person in sein Hoheitsgebiet Kenntnis erlangt hat. [...]

71 Mit Buchst. b seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 24 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich die betreffende Person ohne Aufenthaltstitel aufhält, für die Prüfung des neuen Antrags auf internationalen Schutz, dessen Stellung dieser Person gestattet werden muss, zuständig ist, wenn das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Art. 24 Abs. 2 der Verordnung vorgesehenen Fristen unterbreitet wird. [...]

77 Daher ist Art. 24 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung, um seine praktische Wirksamkeit zu wahren, dahin auszulegen, dass im Fall des Ablaufs der in Art. 24 Abs. 2 der Verordnung vorgesehenen Fristen, sofern die betreffende Person beschließt, von der ihr von dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sie sich aufhält, zu gebenden Gelegenheit zur Stellung eines neuen Antrags auf internationalen Schutz Gebrauch zu machen, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des neuen Antrags zuständig ist. [...]

80 Daher ist auf Buchst. b der fünften Frage zu antworten, dass Art. 24 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich die betreffende Person ohne Aufenthaltstitel aufhält, für die Prüfung des neuen Antrags auf internationalen Schutz, dessen Stellung dieser Person gestattet werden muss, zuständig ist, wenn das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Art. 24 Abs. 2 der Verordnung vorgesehenen Fristen unterbreitet wird. [...]

81 Mit Buchst. c seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 24 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass die Tatsache, dass das gegen eine Entscheidung, mit der ein erster in einem Mitgliedstaat gestellter Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wurde, eingeleitete Rechtsbehelfsverfahren noch anhängig ist, der Stellung eines neuen Antrags auf internationalen Schutz in diesem Mitgliedstaat im Sinne dieser Bestimmung gleichzustellen ist. [...]

83 Daraus folgt, dass sich nach dem Willen des Unionsgesetzgebers der Ablauf der in Art. 24 Abs. 2 der Verordnung vorgesehenen Fristen nicht auf den Ausgang bereits eingeleiteter Verfahren zur Bearbeitung von Anträgen auf internationalen Schutz auswirken sollte, sondern auf die Einleitung eines neuen Verfahrens des internationalen Schutzes.

84 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass nach den Erwägungen in den Rn. 48 bis 50 des vorliegenden Urteils mangels aufschiebender Wirkung der Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, mit der ein erster Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wurde, diese Entscheidung ihre vollen Wirkungen entfaltet, so dass das im Anschluss an die Stellung des Antrags auf internationalen Schutz in Gang gesetzte Verwaltungsverfahren abgeschlossen ist.

85 Infolgedessen ist auf Buchst. c der fünften Frage zu antworten, dass Art. 24 Abs. 3 der Dublin -III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass die Tatsache, dass das gegen eine Entscheidung, mit der ein erster in einem Mitgliedstaat gestellter Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wurde, eingeleitete Rechtsbehelfsverfahren noch anhängig ist, der Stellung eines neuen Antrags auf internationalen Schutz in diesem Mitgliedstaat im Sinne dieser Bestimmung nicht gleichzustellen ist. [...]

86 Mit Buchst. d seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 24 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass, wenn das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Art. 24 Abs. 2 der Verordnung vorgesehenen Fristen gestellt wird und die betreffende Person nicht von der Befugnis zur Stellung eines neuen Antrags auf internationalen Schutz – über die sie verfügen muss – Gebrauch gemacht hat, der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich diese Person ohne Aufenthaltstitel aufhält, noch ein Wiederaufnahmegesuch unterbreiten oder die Person in einen anderen Mitgliedstaat überstellen kann, ohne ein solches Gesuch zu unterbreiten.

87 Art. 24 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung unterscheidet sich von anderen den Ablauf von Fristen betreffenden Bestimmungen in dieser Verordnung dadurch, dass er nicht vorsieht, dass der Ablauf der Fristen, die er betrifft, als solcher einen Übergang der Zuständigkeit nach sich zieht. [...]

89 Da der Unionsgesetzgeber dem Ablauf der in Art. 24 Abs. 2 der Verordnung genannten Fristen keine andere Wirkung beigemessen hat, ist davon auszugehen, dass es in den Fällen, in denen die betreffende Person von dieser Befugnis keinen Gebrauch macht, dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sie sich aufhält, freisteht, daraus die Konsequenzen zu ziehen und gegebenenfalls ein Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten, das gewährleisten soll, dass diese Person wieder in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats gelangt, in dem sie einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

90 Hingegen kann, da zum einen der zuständige Mitgliedstaat gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b bis d der Dublin-III-Verordnung verpflichtet ist, die betreffende Person unter den Voraussetzungen der Art. 23 bis 25 und 29 der Verordnung wieder aufzunehmen, und zum anderen keiner dieser Artikel ihre Überstellung vorsieht, wenn der ersuchte Mitgliedstaat nicht – explizit oder implizit – dazu bereit ist, Art. 24 Abs. 3 der Verordnung nicht so verstanden werden, dass er einem Mitgliedstaat gestattet, die betreffende Person in einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen, ohne ein Wiederaufnahmegesuch zu unterbreiten.

91 Daher ist auf Buchst. d der fünften Frage zu antworten, dass Art. 24 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass, wenn das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Art. 24 Abs. 2 der Verordnung vorgesehenen Fristen unterbreitet wird und die betreffende Person nicht von der Befugnis zur Stellung eines neuen Antrags auf internationalen Schutz – über die sie verfügen muss – Gebrauch gemacht hat,

- der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich diese Person ohne Aufenthaltstitel aufhält, noch ein Wiederaufnahmegesuch unterbreiten kann und

- diese Bestimmung die Überstellung der betreffenden Person in einen anderen Mitgliedstaat nicht gestattet, ohne dass ein solches Gesuch unterbreitet wird. [...]