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Verwirrung um Urteil des EuGH zur Europarechtswidrigkeit von Wohnsitzauflagen

Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg vom 1.3.2016 wurde in verschiedenen Medienberichten vom heutigen Tag unzutreffend wiedergegeben. Im Ergebnis entschied der EuGH, dass die Freizügigkeit von subsidiär Geschützten zwar grundsätzlich eingeschränkt werden dürfe, die in Deutschland regelmäßig verfügte Wohnsitzauflage für diesen Personenkreis aber in der aktuellen Form mit Europarecht nicht in Einklang steht.

In vielen deutschen Medien wurde das Urteil jedoch kurz nach Veröffentlichung falsch wiedergegeben. So titelte tagesschau.de: „EuGH: Wohnsitzauflage für Flüchtlinge zulässig.“

Hintergrund für die Entscheidung des EuGH waren Fragen in einem Verfahren von zwei syrischen Staatsangehörigen, die das Bundesverwaltungsgericht dem EuGH vorgelegt hatte, da es Zweifel hatte, ob eine Wohnsitzauflage, wie sie in Deutschland bei subsidiär Geschützten verfügt wird, zulässig sei.

Das Urteil des EuGH gilt dementsprechend nicht für in Deutschland anerkannte Flüchtlinge, sondern bezieht sich nur auf den Kreis der "subsidiär Geschützten". Denn das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits im Jahr 2008 geurteilt, dass eine Wohnsitzauflage für Flüchtlinge regelmäßig unzulässig sei, wenn sie nur dem Zweck der "Lastenteilung" bei den Sozialleistungen diene.

Der EuGH hat nun festgestellt, dass eine solche Wohnsitzauflage auch für subsidiär Geschützte rechtswidrig sei, da sie gegen EU-Recht verstoße. Zwar stellte der EuGH fest, dass die Freizügigkeit von subsidiär Geschützten grundsätzlich eingeschränkt werden dürfe, dies sei allerdings nur unter strengen Voraussetzungen möglich: Da diese Gruppe grundsätzlich ein Gleichbehandlungsrecht mit anerkannten Flüchtlingen und anderen Drittstaatsangehörigen habe, könne eine Wohnsitzauflage nur dann verfügt werden, wenn die Regelung der Wohnsitzauflage für alle rechtmäßig in Deutschland lebenden Drittstaatsangehörigen (also Nicht-EU-Bürger) gleichermaßen gelte. Ansonsten sei die Einschränkung der Freizügigkeit nur möglich, wenn sich die Situation subsidiär geschützter Personen "im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel" objektiv von der Situation anderer Drittstaatsangehöriger unterscheide. Das Ziel einer "Lastenverteilung" erfülle jedenfalls nicht die notwendigen Voraussetzungen. Aber auch wenn eine Wohnsitzauflage bei subsidiär Geschützten mit dem Ziel erteilt werde, die Integration dieser Gruppe zu erleichtern, sei dies nur dann zulässig, wenn es objektive Gründe gebe, subsidiär Geschützte anders zu behandeln als andere Migranten oder anerkannte Flüchtlinge, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten.

Das Bundesverwaltungsgericht muss nun anhand dieser Vorgaben aus Luxemburg prüfen, unter welchen Voraussetzungen subsidiär Geschützte einer Wohnsitzauflage unterworfen werden können. Dies wäre laut EuGH nur zulässig, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Wohnsitzauflage der Förderung der Integration dieser Personengruppe dient.