Das Urteil betraf die Entscheidung einer Schweizer Behörde, die Asylanträge einer afghanischen Familie mit sechs Kindern nicht zu behandeln und sie nach Italien zurückzuschieben. Das Gericht stellte fest, dass angesichts der derzeitigen schlechten Aufnahmesituation in Italien und ohne detaillierte und verlässliche Informationen zur Unterbringung der Familie, eine Überstellung eine unmenschlichen Behandlung gem. Art. 3 EMRK darstellen würde. Asylsuchende als eine besonders unterprivilegierte und verletztliche Gruppe benötigten einen speziellen Schutz nach Art. 3 EMRK. Dieser sei insbesondere wichtig bei Kindern unabhängig davon, ob sie in Begleitung ihrer Eltern seien. Die Befürchtung, das nach Italien überstellte Flüchtlinge ohne Unterbringung dastehen, sei begründet. Zwar habe die italienische Regierung mitgeteilt, dass sie Familien mit Kindern zu der besonders schutzbedürftigen Gruppe zählen würden, sie habe allerdings nicht mitgeteilt, worin die spezifischen Hilfsmaßnahmen für Familien mit Kindern bestehen würden.
Die Entscheidung der Großen Kammer, die nicht mehr anfechtbar ist, wurde erforderlich, nachdem der EGMR in einer Kammerentscheidung im Fall Hussein gegen Niederlande und Italien (EGMR, Entscheidung vom 2.4.2013 – Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, Nr. 27725/10 – asyl.net, M20792) noch davon ausgegangen war, dass keine Verletzung von Art. 3 EMRK bei einer Überstellung einer alleinerziehenden Mutter von zwei Kleinkindern nach Italien vorliegen würde. Da eine andere Kammer des EGMR in Strassburg mit dieser Entscheidung nicht einverstanden war, musste dazu nun letztinstanzlich die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entscheiden. Das Urteil dürfte auch in Deutschland weitreichende Folgen haben, da es bereits zahlreiche Entscheidungen von Verwaltungsgerichten zu Überstellungen nach Italien im Rahmen des Dublin-Verfahrens gegeben hat.
- Die Entscheidung Tarakhel gg. Schweiz ist hier abrufbar